Das Erbe der Jedi-Ritter 10 - Jainas Flucht
»Sie verfügt über einen starken Willen und ist eine findige junge Frau.«
»Fakt«, stimmte Tenel Ka zu, »aber der Weg, den sie einschlägt, beunruhigt mich. Indem sie behauptet hat, mit ihrer Göttin der List wesensverwandt zu sein, hat sie die Yuuzhan Vong auf eine Weise herausgefordert, auf die sie irgendwie reagieren müssen. Und indem sie diese Rolle einnimmt, hat sie bereits angefangen, sich den Erwartungen der Yuuzhan Vong anzupassen. Ich möchte gar nicht darüber nachdenken, worin Jainas ›großes Schicksal‹ bestehen mag, wie es durch diese Invasoren und Jainas Reaktion darauf definiert wird.«
»Unterscheidet sich das so sehr von dem, was wir alle tun müssen? Niemand wird frei von der Bürde der Erwartungen geboren.«
Sie hob die Hand und schnitt ihm so das Wort ab. »Wenn du mich auf diese Weise auf den Thron von Hapes drängen willst, brauchst du deine und meine Zeit nicht zu vergeuden.«
Ihr Vater schwieg einige Momente lang. »Hast du deine Mutter nach deiner Rückkehr schon gesehen?«
»Natürlich!«
»Dann bist du über die Tatsachen also im Bilde: Wenn du den Thron nicht einnimmst, wird es jemand anderes tun müssen.«
Tenel Ka begann auf und ab zu schreiten und dachte darüber nach, wie sie dieses Argument entkräften konnte. Doch das Gespenst einer Königin Chelik war allzu gegenwärtig. Die Frau war eine Nichte von Ta’a Chume und eine legitime Erbin. Sie würde jede Kenntnis vom Attentat ihrer Tochter auf Isolders Leben in Abrede stellen, und niemand konnte ihr eine Beteiligung nachweisen. Tenel Ka wusste es jedoch besser, und ebenso ihre kränkelnde Mutter.
Kein Wunder, dass man auf Hapes den Jedi-Kräften traditionell misstraute! Die jeweils herrschende Königin überlebte vor allem durch die Fähigkeit zu Täuschung und Manipulation. Niemand mochte jemanden, der ihre Komplotte durchschauen und die korrupten Charaktere wahrnehmen konnte, welche sich hinter roten Schleiern und wunderschönen Gesichtern verbargen. Tenel Ka machte sich wenig Illusionen über ihre Familie. Chelik war nicht die schlimmstmögliche der potenziellen Nachfolgerinnen ihrer Mutter. Alyssia, die jüngere Schwester von Chelik, war weitaus verschlagener. Alyssia verfügte allerdings auch über die Schlauheit, sich nicht zu einem offenen Anschlag auf den Prinzen herabzulassen. Höchstwahrscheinlich hatte sie stattdessen Cheliks Tochter bearbeitet, zugunsten ihrer Mutter in Aktion zu treten. Das Mädchen würde für dieses Verbrechen hingerichtet werden, und der Verlust einer Erbin schwächte Cheliks Position im Kampf um den Thron. So stand es also um die königliche Familie, den Hof und die ganze hapanische Kultur. Tenel Ka konnte sich kein Leben vorstellen, das von diesen Werten bestimmt wurde. Ließe sie sich, wie Jaina, den Erwartungen ihrer Widersacher gemäß umgestalten? »Denkst du wenigstens einmal über die Möglichkeit nach?«, drängte Isolder sie.
Tenel Ka strich sich über das rotgoldene Haar, das wie immer zu den Zöpfen einer Dathomiri geflochten war. »Ich bin keine Herrscherin, sondern eine Kriegerin.«
»Wer wäre in Kriegszeiten besser geeignet, die Führung zu übernehmen? Gewiss hat deine Großmutter dich auch schon auf diesen Pfad gedrängt.«
»Ich habe noch nicht viel von ihr gesehen«, antwortete sie. Es war ihrer Aufmerksamkeit nicht entgangen, dass Ta’a Chume wesentlich mehr Interesse an Jaina als an ihrer eigenen königlichen Erbin zeigte. Diese Feststellung traf sie ohne Eifersucht, doch mit großer Sorge. Jaina war kein Dummkopf, allerdings wusste sie sicherlich nicht, wozu die alte Frau imstande war. Ein schrecklicher Gedanke schoss ihr durch den Kopf. Vielleicht kam die wahre Bedrohung für den hapanischen Thron nicht von den Zweigen, sondern von den Wurzeln. Ni’Korish, die Königin vor Ta’a Chume, war für ihren Hass auf die Jedi bekannt gewesen. Vielleicht begriff Ta’a Chume das Potenzial einer dunklen Jedi als Verbündeter und versuchte, Jaina aus eigenem Interesse auf diesen Pfad zu ziehen. Mit Darth Vaders Enkelin an ihrer Seite konnte Ta’a Chume leicht verschiedene Komplotte durchführen und den Thron zurückerobern. Eine Frau, die den Tod der Verlobten ihres ältesten Sohnes und vielleicht sogar dessen eigenen anordnete, war zu allem fähig.
»Du wirkst besorgt«, stellte der Prinz fest. »Ist alles in Ordnung mit Ta’a Chume?«
»Sie ist so, wie sie schon immer war.«
»Ich verstehe«, sagte Isolder langsam. »Dann gibt es durchaus genug Grund zur
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