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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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flussab führe und auf dem Weg zur Pferdefähre in Lambeth Liebeslieder zur Laute trällerte. Steckte der Abendnebel, der vom Fluss aufsteigt, voller Miasmen, dann säße Heinrich längst im New Forest oder in Essex. Er hat eine Heidenangst vor jeglicher Krankheit. Prinz Eduard wäre eilends nach Wales geschickt worden, und der König wäre ebenfalls schon lange fort.
    Also weiß jeder, der den König kennt, dass die Pestwarnung eine Lüge ist. Und der Leidensweg der Königin Anna wird somit seinen Anfang nehmen. Zuerst wird sie ins Exil geschickt, während die Ermittlungen gegen sie im Gange sind, dann wird Anklage erhoben, dann kommt das Gerichtsverfahren, dann das Urteil und schließlich der Tod. So war es bei Königin Katharina und bei Königin Anne Boleyn, und so wird es für Königin Anna von Kleve sein.
    »Ich werde ihn sehen, bevor ich reise?«, fragt das arme Ding mit bebender Stimme.
    »Seine Gnaden bat mich, Euch auszurichten, dass Ihr Euch schon morgen auf die Reise begebt. Er wird Euch zweifellos in Richmond besuchen.«
    Sie schwankt, und ihre Beine geben nach; wenn ich sie nicht hielte, würde sie fallen. Der Herzog nickt mir zu, als wollte er mir Anerkennung für gute Arbeit aussprechen, dann geht er rückwärts aus der Tür und verabschiedet sich höflich, als wäre er nicht der Tod höchstpersönlich, der die Braut holen kommt.
    Ich setze sie vorsichtig auf einen Stuhl und lasse von einem der Mädchen ein Glas Wasser holen, ein anderes schicke ich in den Keller nach Brandy. Als sie zurückkommen, bringe ich sie dazu, erst aus dem einen Glas und dann aus dem anderen zu trinken, und sie hebt den Kopf und schaut mich an.
    »Ich muss meinen Gesandten sprechen«, sagt sie mit heiserer Stimme.
    Ich nicke. Soll sie ihn sehen, wenn sie es wünscht, aber retten kann er sie nicht. Ich schicke einen Pagen auf die Suche nach Dr. Harst. Er wird wohl beim Dinner in der Halle sein, zu jeder Mahlzeit findet er sich an einem der hinteren Tische ein. Der Herzog von Kleve hat ihm nicht genug gezahlt, damit er als Botschafter eine eigene Residenz einrichten kann, stattdessen muss sich der arme Mann wie eine Maus die Brosamen von der königlichen Tafel klauben.
    Er eilt herbei - und schrickt zurück, als er sie in ihrem Stuhl sieht, vornüber gebeugt, als sei ihr ein Dolch ins Herz gestoßen worden.
    »Lasst uns allein«, befiehlt sie.
    Ich wende mich mit den anderen zur Tür, verlasse das Zimmer jedoch nicht. Ich stehe an der Tür, als wollte ich sie bewachen. Ich wage nicht, sie allein zu lassen, auch wenn ich kein Wort des Gesprächs verstehe. Ich kann nicht riskieren, dass sie ihm ihren Schmuck gibt und dass die beiden durch die Geheimtür in den Garten flüchten und über den Fußweg zum Fluss - auch wenn sie nicht weit kommen würden, weil die Landungsstege mit Wachposten besetzt sind.
    Sie murmeln in ihrer Sprache, und ich sehe, dass er den Kopf schüttelt. Sie weint und versucht, ihm etwas klarzumachen, und er tätschelt ihre Hand und ihren Ellenbogen und fast noch ihren Kopf, so wie ein Hundeführer bei der Hetzjagd eine wutschäumende Hündin besänftigt. Ich lehne an der Tür. Dieser Mann kann unseren Plänen nichts anhaben. Dieser Mann wird sie nicht retten, wir brauchen ihn nicht zu fürchten. Dieser Mann wird immer noch verzweifelt nach einem Ausweg suchen, wenn sie bereits die Stufen zum Schafott emporschreitet. Wenn sie auf seine Hilfe zählt, ist sie schon so gut wie tot.

 
 
A NNA , R ICHMOND -P ALAST , J ULI 1540
 
    Ich glaube, das Warten ist das Schlimmste; und nun ist Warten alles, was mir übrig geblieben ist. Warten darauf, welche Anklage sie gegen mich erfinden, Warten auf meine Verhaftung. Ich zerbreche mir den Kopf, was ich zu meiner Verteidigung vorbringen kann. Dr. Harst und ich sind uns einig, dass ich lieber das Land verlassen sollte, selbst wenn ich damit meinen Anspruch auf den Thron verliere, den Ehevertrag breche und das Bündnis mit Kleve zerstöre. Selbst wenn es bedeutet, dass England an der Seite Frankreichs Krieg gegen Spanien führen wird. Es ist entsetzlich, aber mein Scheitern in diesem Lande kann bedeuten, dass England nun frei ist, auf dem Kontinent Krieg zu führen. Ich hoffte vor allem, diesem Land Frieden und Sicherheit zu bringen, aber meine gescheiterte Ehe könnte es in den Krieg treiben. Und ich kann nichts tun, um das zu verhindern.
    Dr. Harst glaubt, dass mein Freund Lord Lisle und mein Bürge Thomas Cromwell dem Tode geweiht sind und dass ich als Nächste an die

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