Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
dies ist das Ende meiner Hoffnungen, diesem Land eine gute Königin zu sein, den Königskindern eine gute Stiefmutter und dem schlechten Ehemann ein gehorsames Weib.
Schweigend strecke ich die Hand nach dem Brief aus, den er mir bringt. Schweigend reicht er ihn mir. Dies ist das Ende meiner Mädchenzeit, das Ende meines Strebens. Dies ist das Ende meines Traums. Das Ende meiner Regentschaft. Vielleicht ist es das Ende meines Lebens.
J ANE B OLEYN , R ICHMOND , 8. J ULI 1540
Wer hätte geglaubt, dass sie es so schwernimmt? Sie hat geweint wie ein kleines Mädchen, dem das Herz bricht, während ihr nutzloser Gesandter ihr die Hände tätschelte und dieser Tölpel Richard Beard in pompöser Haltung daneben stand und ein Gesicht machte wie ein peinlich berührter Schuljunge. Sie ist auf der Terrasse, wo Richard Beard ihr den Brief aushändigte, in Tränen ausgebrochen, dann haben sie sie in ihr Gemach gebracht, wo ihr die Beine einknickten, und dann haben sie nach mir geschickt, weil sie sich in einen Weinkrampf hineinsteigerte.
Ich bade ihr Gesicht in Rosenwasser, dann flöße ich ihr Brandy ein. Das beruhigt sie vorerst, und sie schaut zu mir auf, die Augen rot gerändert wie ein kleines, weißes, unglückliches Kaninchen.
»Er leugnet unsere Ehe«, sagt sie mit brüchiger Stimme. »Oh Jane, er verleugnet mich. Er ließ mich malen von Meister Holbein, er erkor mich zu seiner Braut, er bat mich, zu kommen, er schickte seine Räte, er holte mich an seinen Hof. Er wollte keine Mitgift, er nahm mich zur Frau, er teilte das Bett mit mir - und nun verleugnet er mich.«
»Was sollt Ihr denn nun tun?«, frage ich. Ich will wissen, ob nach Richard Beard eine Abteilung Soldaten kommen wird, ob man sie schon heute Abend abholt.
»Er will, dass ich dem Urteil zustimme«, sagt sie. »Er verspricht mir eine ...«, sie bricht in Tränen aus, »... Abfindung.« Das ist natürlich schlimm für eine junge Frau. »Er verspricht gerechte Bedingungen, wenn ich nicht Ärger mache.« Ich schaue ihren Gesandten an, der sich plustert wie ein Hahn, weil sie so beleidigt wurde, dann schaue ich zu Richard Beard.
»Was würdet Ihr der Königin raten?«, fragt Beard. Er ist kein Narr, er weiß, wer mich bezahlt. Ich werde nach Heinrichs Pfeife tanzen, dessen kann er sicher sein.
»Euer Gnaden«, beginne ich sanft. »Es gibt nichts, was Ihr tun könntet, außer den Willen des Königs und den Beschluss seines Rates anzunehmen.«
Sie schaut mich vertrauensvoll an. »Wie kann ich?«, fragt sie. »Er will, dass ich sage, ich war schon verheiratet, bevor ich ihn heiratete, und also sind wir nicht verheiratet. Das sind Lügen.«
»Euer Gnaden.« Ich beuge mich zu ihr hinab und flüstere in ihr Ohr. »Die Beweise gegen Königin Anne Boleyn führten von einer Untersuchung wie dieser in den Gerichtssaal und dann geradewegs zum Schafott. Die Beweise gegen Königin Katharina begannen mit einer Untersuchung wie dieser und brauchten sechs Jahre bis zur Anhörung, und am Ende war sie allein und mittellos und starb, ohne ihre Freunde oder ihre Tochter noch einmal zu sehen. Der König ist ein gnadenloser Gegner. Wenn er Euch Bedingungen anbietet, gleich welcher Art, dann solltet Ihr sie akzeptieren.«
»Aber ...«
»Wenn Ihr ihn nicht freigebt, wird er Euch auf andere Weise loswerden.«
»Wie kann er?«, will sie wissen.
Ich schaue sie nur an. »Das wisst Ihr ganz genau.«
Sie fordert mich heraus, es auszusprechen. »Was wird er tun?«
»Er wird Euch töten«, erwidere ich deutlich.
Richard Beard geht ein Stück beiseite, damit er bestreiten kann, unser Gespräch mit angehört zu haben. Annas Botschafter schaut mich wütend und verständnislos an. »Ihr wisst das«, betone ich. Sie nickt stumm.
»Wen habt Ihr zum Freund in England?«, frage ich. »Wer wird für Euch eintreten?« Ich sehe, dass sie nachgibt. »Ich habe keinen.«
»Könnt Ihr Eurem Bruder Nachricht schicken? Wird er Euch helfen?« Ich weiß nur zu gut, dass er es nicht tun wird.
»Ich bin unschuldig«, flüstert sie mit erstickter Stimme.
»Und wenn.«
K ATHERINE H OWARD , N ORFOLK H OUSE , L AMBETH , 9. J ULI 1540
Ich glaube es nicht, ich kann es nicht glauben, aber es ist wahr. Großmama hat es mir gerade gesagt, und sie hat es eben erst von meinem Onkel Norfolk gehört, und er war dabei, und er weiß Bescheid. Sie haben es getan. Sie haben die Beweise geprüft und verkündet, dass die Ehe des Königs mit Königin Anna von Kleve nie gültig gewesen ist und
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