Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
fing ich an zu zittern. Wie konnte der König nur so etwas tun?
König Heinrich hat Margaret Pole, die Gräfin Salisbury, hinrichten lassen. Er hat grundlos den Tod einer unschuldigen, fast siebzigjährigen Frau befohlen. Oder wenn es einen Grund gibt, dann jenen, der so viele seiner Handlungen bestimmt: seine wahnhafte Bosheit.
Meine Güte, er wird wahrlich zum Monster. Ich hülle mich in meinen Umhang und sage meinen Damen, dass ich keine Begleitung brauche, wenn ich mit meinem Botschafter einen Gang durch den Garten mache. Ich will nur sichergehen, dass keine von ihnen mein Gesicht sehen kann. Nun weiß ich erst, wie viel Glück ich hatte! Ich danke Gott, dass ich verschont wurde. Wie sehr ich ihn auch fürchtete, für einen wahnsinnigen Mörder hätte ich ihn nicht gehalten. Diese Bosheit, diese wahnhafte Tücke gegenüber einer Frau, die alt genug war, seine Mutter zu sein; einer Frau, die das Mündel seiner Großmutter war, beste Freundin seiner Ehefrau, Patin seiner Tochter; einer frommen Frau, die keines Verbrechens schuldig war - das beweist mir ein und für alle Mal, dass er ein höchst gefährlicher Mann ist.
Dass er eine Frau von fast siebzig Jahren aus ihrem Bett zerren und enthaupten ließ - und das ohne Grund! Nur, um die Herzen ihres Sohnes, ihrer Familie und all jener zu brechen, die sie lieben. Dieser König ist ein Ungeheuer. Auch wenn er seiner kleinen Braut noch so freundlich zulächelt, auch wenn er sich mir gegenüber noch so großzügig zeigt, will ich doch stets auf der Hut sein, weil Heinrich von England ein Monster ist und ein Tyrann, und in seinem Reich ist niemand sicher. Es kann keine Sicherheit in einem Lande geben, in dem solch ein Mann auf dem Thron sitzt.
Dr. Harst macht größere Schritte, um nicht zurückzufallen, denn ich gehe so schnell, als könnte ich dieses Königreich zu Fuß verlassen. »Ihr seid tief bestürzt«, bemerkt er.
»Wie sollte ich nicht?« Ich schaue mich vorsorglich um. Wir sprechen Deutsch und können daher nicht belauscht werden, außerdem hält sich mein Page etliche Schritte zurück. »Was nützte es dem König, Lady Pole jetzt noch hinzurichten? Sie saß doch bereits seit Jahren im Tower. Dort hätte sie wohl kaum gegen ihn konspirieren können! Seit Jahren hat sie niemanden zu Gesicht bekommen außer ihren Gefängniswärtern, denn ihre halbe Familie hatte er ja schon umgebracht und die Übrigen im Tower eingesperrt.«
»Es ging auch nicht darum, dass sie möglicherweise Komplotte schmiedet«, erwidert Dr. Harst ruhig. »Es hat mit diesem neuerlichen Aufstand im Norden zu tun. Der alte Glaube soll wieder eingesetzt werden, und die Adeligen des Nordens wollen die Poles auf dem Königsthron sehen. Sie sind gläubige Papisten und sehr beliebt, sie stammen aus dem Norden, sie gehören zur königlichen Familie der Yorks, und sie bekennen sich zu dem alten Glauben. Es geht schlicht darum, dass der König keinen Rivalen duldet. Selbst einen unschuldigen Rivalen nicht.«
Ein Schauder überläuft mich. »Warum zieht er dann nicht gegen den Norden zu Felde?«, frage ich. »Er könnte doch ein Heer ausschicken, um den Aufstand niederzuschlagen. Warum musste er eine alte Dame in London enthaupten lassen?«
»Es heißt, er habe sie gehasst, seit sie sich damals auf die Seite Katharinas von Aragon schlug«, erklärt Dr. Harst. »Als er ein junger Mann war, bewunderte und verehrte er Lady Pole. Sie war die letzte Prinzessin aus der Plantagenet-Familie, königlicher als er selbst. Aber als er seine Königin verstieß, ergriff Lady Pole für sie Partei.«
»Das war vor vielen Jahren.«
»Er vergisst seine Feinde nie.«
»Warum kämpft er nicht gegen die Aufständischen, wie er es früher getan hat?«
Er senkt seine Stimme. »Sie sagen, dass er Angst hat. Wie auch damals schon. Da schickte er den Herzog Thomas Howard. Selbst wird er nicht gehen.«
Ich schreite tüchtig aus, und der Botschafter hält Schritt, mein Page fällt noch weiter zurück. »Ich werde niemals wirklich sicher sein«, sage ich nachdenklich. »Nicht, solange er lebt.«
Dr. Harst nickt. »Man kann seinem Wort nicht trauen«, sagt er. »Nie vergisst er eine Kränkung.«
»Glaubt Ihr, dass all dies ...« Mit einer Geste umfasse ich den schönen Park, den Fluss, das prächtige Schloss. »... dass all dies nur zur Beschwichtigung dienen könnte? Dass er mich bestochen hat, damit ich mich ruhig verhalte, damit mein Bruder ruhig bleibt, während der König trachtet, von Katherine einen Sohn zu
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