Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
Vom Netzwerk:
zurück. Und nachdem die Freude über das schöne Fest und die Geschenke verflogen ist, bleibt die Angst. Der König war zu Weihnachten gut gelaunt, doch in der Fastenzeit äußerst düsterer Stimmung, sodass ich froh war, hier in meinem eigenen Hause zu sein. Ich beschloss, zu Ostern keinen Besuch zu machen, und die sommerliche Rundreise werde ich auch nicht mitmachen. Ich fürchte mich vor dem König, ich sehe in ihm sowohl die Tyrannei meines Bruders als auch meines Vaters Wahnsinn. Ich erkenne diese Gemütsverfassung an seinen unruhig suchenden, argwöhnischen Augen. Er schwebt am Rande des Abgrunds, und auch die anderen Höflinge werden eines Tages erkennen, dass ihr hübscher Junge sich in einen starken Mann verwandelt hat - und dieser Mann verliert zunehmend den Verstand.
    Der König wendet sich heftig gegen Reformisten, Protestanten und Lutheraner, und sowohl mein Gewissen als auch mein Gefühl für Sicherheit diktieren mir die Hinwendung zur alten Glaubenslehre. Prinzessin Maria ist mir ein leuchtendes Vorbild, doch auch ohne ihr Beispiel würde ich das Knie vor dem Sakrament der Eucharistie beugen und daran glauben, dass der Wein zu Blut geworden ist und das Brot zu Fleisch. Es ist zu gefährlich, in Heinrichs England etwas anderes zu denken, denn selbst die geheimen Gedanken sind nicht sicher.
    Warum hat er, der stets seinen Willen bekam und Macht und Reichtum anhäufte, es nötig, sich wie ein wildes Tier nach Opfern umzuschauen? Wäre er nicht der König, dann würden die Leute sagen, er sei ein Wahnsinniger. Ein Mann, der den Tag seiner Hochzeit als Zeitpunkt für die Hinrichtung seines besten Freundes und Beraters wählte! So ein Mann ist wahnsinnig und gefährlich, und allmählich kommen sie alle zu dieser Erkenntnis.
    Er hat sich in den Kopf gesetzt, dass die Reformisten und die Protestanten ein Komplott schmieden, um ihn zu stürzen. Der Herzog von Norfolk und Erzbischof Gardiner sind entschlossen, die Kirche auf ihrem derzeitigen Stand zu halten: ihrer Reichtümer beraubt, doch in den Grundzügen katholisch. Sie wollen die Reform nun einfrieren. Der König hört auf seine beiden Ratgeber und hat Bischöfe und selbst einfache Pfarrer angewiesen, in ganz England Männer und Frauen zu jagen, welche dem Sakrament der Eucharistie nicht den geziemenden Respekt erweisen. Sie werden der Häresie bezichtigt und auf den Scheiterhaufen gebracht.
    Der Fleischmarkt in Smithfield beherbergt nun sowohl Menschen- als auch Tierkadaver. Er ist der wichtigste Platz für die Verbrennung von Märtyrern geworden. Sie nennen es zwar nicht so, aber es ist eine Inquisition. Junge Menschen, unwissende Menschen, dumme Menschen und ein paar, die wirklich gläubig sind, werden so lange verhört und mit theologischen Spitzfindigkeiten ins Kreuzverhör genommen, bis sie sich in ihrer Angst und Verwirrung selbst widersprechen. Dann werden sie für schuldig erklärt, und der König, der seinem Volk doch ein Vater sein sollte, lässt sie durch die Stadt schleifen und zu Tode brennen.
    Immer noch reden die Menschen über den Tod von Robert Barnes: Dieser fragte sogar noch den Scharfrichter, der ihn an den Pfahl band, warum er denn sterben müsse. Der Richter wusste es nicht, er wusste nicht, wessen Barnes schuldig gesprochen worden war. Die gaffende Menge wusste es ebenso wenig. Und so geschah es, dass sie das Reisig zu Barnes' Füßen anzündeten, ohne dass er erfuhr, welches Verbrechens er schuldig war. Denn er war unschuldig. Wie konnte das geschehen? Wie konnte ein König, der einst der schönste Fürst der Christenheit war, der Verteidiger des Glaubens und das Licht seines Landes, so ein ... Monster werden?
    Ein Schauder überläuft mich, selbst hier, in meinem warmen Privatgemach in Richmond. Wie konnte der König, dieses Kind des Glücks, so tückisch werden? Wie kann er zu seinen Untertanen so grausam sein? Warum ist er diesen Launen unterworfen, warum diesen Wutausbrüchen? Wie können sie es nur wagen, an diesem Hofe zu leben?

 
 
J ANE B OLEYN , H AMPTON C OURT , A PRIL 1541
 
    Wir haben bereits unseren Kandidaten für die Gunst der Königin gefunden - und ohne große Anstrengungen meinerseits. Das Begehren eines jungen Mädchens hat ausgereicht, damit sie sich Hals über Kopf in Thomas Culpepper verliebt, und er liebt sie auch, soweit ich das beurteilen kann. Des Königs Bein ist ein wenig besser, seit Ostern verlässt er seine Gemächer wieder, und das Leben am Hofe läuft wieder in seinen üblichen Bahnen. Dennoch

Weitere Kostenlose Bücher