Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
Namen?«
»Sie ist verrückt nach Euch.«
»Wenn ich mit ihr erwischt würde, wäre es unser beider Tod«, sagt er.
»Ihr könntet doch einfach herkommen und mit ihr reden«, schlage ich vor. »Tröstet sie. Es wäre ein Dienst am König, wenn Ihr ihr den Seelenfrieden erhaltet. Wie lange kann sie das wohl noch ertragen? Der König führt sie überall vor, wie es ihm gerade gefällt. Er zieht sie halb nackt aus, berührt sie überall, mit den Augen, mit den Händen ... Er berührt jeden Zoll von ihr und kann ihr doch keine Erleichterung verschaffen. Sie ist aufgezogen wie ein Kreisel, Master Culpepper, wie eine zu straff gespannte Lautensaite.«
Er schluckt, während er ihr Bild vor seinem inneren Auge sieht. »Wenn ich nur mit ihr reden könnte ...«
»Kommt in einer Stunde wieder, dann lasse ich Euch ein«, sage ich, fast so atemlos wie er. »Ihr könnt im Privatgemach mit ihr reden, während der König schläft. Ich kann die ganze Zeit dabeibleiben und über Euch wachen. Wen sollte es stören, wenn ich doch die ganze Zeit dabei bin?«
Seltsamerweise ist das für ihn keine Versicherung meines guten Willens. Er weicht einen Schritt zurück und schaut mich argwöhnisch an. »Warum wollt Ihr mir derart behilflich sein?«, fragt er. »Was springt für Euch dabei heraus?«
»Ich diene der Königin«, beeile ich mich zu sagen. »Ich diene stets der Königin. Sie sehnt sich nach Eurer Freundschaft, sie will Euch sehen. Ich sorge nur dafür, dass ihr nichts geschehen kann.«
Er muss wirklich rasend in sie verliebt sein, wenn er glaubt, dass es in dieser Sache irgendwelche Garantien gibt. »In einer Stunde bin ich da«, verspricht er.
Ich warte beim niederbrennenden Feuer. Ich erfülle meinen Auftrag, wie mir der Herzog befohlen hat, aber ich ertappe mich dabei, wie meine Gedanken ständig zu meinem Manne George und zu Anne abschweifen. Auch er pflegte auf sie zu warten, wenn sie aus des Königs Bett kam, so wie ich jetzt warte, so wie Culpepper auf Katherine warten wird. Ich schüttele den Kopf, ich habe mir doch geschworen, nicht mehr an die beiden zu denken! Ich bin damals fast verrückt geworden, weil ich so oft an die beiden dachte. Nun leben sie nicht mehr, und ich muss mich nicht mehr mit diesen Gedanken quälen.
Nach einer Weile öffnet sich die Tür zum Schlafgemach, und Katherine tritt heraus. Unter ihren Augen sind dunkle Ringe, und ihr Gesicht ist bleich. »Lady Rochford«, sagt sie leise. »Habt Ihr meinen Wein gewärmt?«
Ich komme ruckartig zu mir. »Ja, er ist bereit.« Ich nötige sie in den Stuhl am Kamin.
Sie stellt ihre bloßen Füße auf das Kamingitter. Ein Schauder überläuft sie. »Er ekelt mich an«, sagt sie unvorsichtig. »Meine Güte, ich ekele mich vor mir selbst.«
»Es ist Eure Pflicht.«
»Ich kann es nicht«, sagt sie. Sie schließt die Augen und lässt den Kopf zurücksinken. Eine Träne quillt unter ihren Lidern hervor und rinnt über ihre bleiche Wange. »Nicht einmal für Edelsteine. Ich kann so nicht weitermachen.«
Ich warte noch einen Moment. Dann flüstere ich: »Ihr werdet heute Nacht Besuch bekommen.«
Sofort setzt sie sich auf, wachsam. »Wen?«
»Jemanden, den Ihr gewiss sehen wollt«, erwidere ich. »Jemanden, nach dem Ihr Euch seit Monaten, vielleicht seit Jahren sehnt. Wen möchtet Ihr denn am liebsten sehen?«
Das Blut strömt ihr in die Wangen. »Ihr meint doch nicht ...«, stammelt sie. »Kommt er?«
»Thomas Culpepper.«
Als ich seinen Namen sage, keucht sie und springt auf. »Ich muss mich ankleiden«, sagt sie. »Ihr müsst mein Haar frisieren.«
»Dazu habt Ihr keine Zeit«, entgegne ich. »Lasst mich den Schlüssel zur Schlafgemachtür umdrehen.«
»Und den König einschließen?«
»Besser so, als dass er herauskommt und es merkt. Wir können immer eine Ausrede erfinden.«
»Ich will mein Parfüm haben!«
»Das braucht Ihr nicht!«
»Ich kann ihn doch nicht so empfangen!«
»Soll ich ihn an der Tür abfangen und ihm sagen, dass er wieder gehen soll?«
»Nein!«
Es klopft leise an der Tür, so leise, dass ich es nicht gehört haben würde, wenn ich nicht die Ohren eines Spions hätte. »Da ist er schon.«
»Lasst ihn nicht herein!« Sie legt mir eine Hand auf den Arm. »Es ist zu riskant. Bitte, ich will ihn nicht in Gefahr bringen!«
»Er will doch nur mit Euch reden«, beruhige ich sie. »Daraus kann doch kein Unheil entstehen.« Leise öffne ich die Tür. »Es ist schon gut«, sage ich zu dem Posten. »Der König verlangt nach
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