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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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bekommen? Und wenn es so weit ist: Wenn sie ihm den erwünschten Thronerben schenkt und zur Königin gekrönt wird, wenn er denkt, dass es vollbracht ist ... wird er mich dann wohl wegen Hochverrats oder Häresie oder für Gott weiß welches eingebildete Vergehen verhaften lassen und ebenfalls ermorden?«
    Mein Botschafter wird vor Angst grau im Gesicht. »Ich bete, dass es nicht so ist. Aber Sicherheit gibt es nicht. Damals glaubte ich, er wolle eine dauerhafte Einigung mit Euch und eine dauerhafte Freundschaft. Aber das wissen wir nicht. Bei diesem König kann man nichts mit Sicherheit voraussagen. Vielleicht ist es ihm damals um Freundschaft gegangen, doch morgen kann er anderen Sinnes werden. So reden die Menschen über ihn: Dass er angstvoll und wankelmütig sei, dass niemand voraussehen könne, wen er demnächst als Feind betrachtet. Wir können ihm nicht trauen.«
    »Er ist ein Albtraum!«, bricht es aus mir heraus. »Er wird tun, was er will, er kann alles tun, was er will. Er ist eine Gefahr. Er ist entsetzlich.«
    Mein nüchterner Botschafter versucht nicht, mich zu beschwichtigen, sondern nickt verständnisvoll. »Er ist entsetzlich«, pflichtet er mir bei. »Dieser Mann ist die Geißel seines Volkes. Gott sei Lob und Dank, dass Ihr nicht mehr in seiner Nähe lebt. Und Gott schütze seine junge Frau.«

 
 
J ANE B OLEYN , H AMPTON C OURT , J UNI 1541
 
    Der König lässt sich, obwohl älter und abgehärmt wirkend, doch wieder bei Hofe sehen und lebt wie ein Herrscher und nicht wie ein kränklicher Patient. Seine Launen sind eine Qual für seine Diener, und vor seinen Wutausbrüchen erbebt der ganze Hof. Das Gift in seinem Bein und in seinen Eingeweiden geht in seine Seele über. Die Mitglieder des Kronrates leben in ständiger Angst, das Falsche zu sagen. Morgens verkündet er das eine, und abends schwingt er sich zum leidenschaftlichen Anwalt des Gegenteiles auf. Er handelt, als wüsste er nicht mehr, was er am Morgen gesagt hat, und keiner wagt es, ihn daran zu erinnern. Wer anderer Meinung ist als er, verhält sich illoyal, und die Gefahr einer Anklage wegen Hochverrats liegt in der Luft wie der Gestank seiner Wunde. An diesem Hofe hatten immer schon die Wendehälse Hochkonjunktur, aber nie zuvor habe ich erlebt, dass Männer ihre Meinungen so rasch wechseln. Der König widerspricht sich jeden Tag aufs Neue, und seine Räte nicken brav zu allem, was er sagt.
    Die Hinrichtung der Gräfin Salisbury hat uns alle, selbst die Gleichgültigsten, schwer erschüttert. Alle kannten sie, alle buhlten um ihre Gunst, als sie noch die beste Freundin und Verbündete von Königin Katharina war und die letzte Überlebende aus dem königlichen Hause York. Es fiel leicht, sie zu vergessen, nachdem sie des Königs Gunst verloren hatte und aufs Land verbannt wurde. Umso schwerer war dann die Tatsache zu ignorieren, dass sie im Tower eingesperrt wurde. Alle wussten, dass sie unter unerträglichen Bedingungen hauste, von karger Nahrung lebte und ständige Furcht um ihre Familie hegte, denn auch ihre kleinen Enkelsöhne wurden in den Tower gebracht - und werden nie wieder herauskommen. Es war unerträglich, als der König aus heiterem Himmel ihre Hinrichtung beschloss, sie aus dem Bett holen und auf dem Richtblock abschlachten ließ.
    Man munkelt, sie sei vor dem Henker geflüchtet, sie habe keine würdige Rede gehalten und dann willig den Kopf auf den Block gelegt. Sie legte kein Geständnis ab, sondern bestand darauf, dass sie unschuldig sei. Auf dem Schafott strauchelte sie und mühte sich auf Knien rutschend zu fliehen, doch der Scharfrichter stürzte hinter ihr her und hieb immer wieder wie rasend auf sie ein. Die bloße Vorstellung lässt mich schaudern. Es war der gleiche Block, auf dem Anne damals ihr Leben aushauchte. Wie viele Frauen wird er auf diesem Block noch hinrichten lassen? Wer wird die Nächste sein?
    Katherine kommt mit diesem reizbaren Heinrich besser zurecht, als wir gehofft hatten. Sie hat kein Interesse an Religion oder Macht, deshalb spricht er mit ihr nicht darüber, und sie weiß nicht, dass seine Beschlüsse vom Morgen bei Einbruch der Nacht über den Haufen geworfen werden. Da sie keine eigene Meinung zu diesen Dingen hat, streitet sie nicht mit ihm. Er behandelt sie wie ein kleines Schoßhündchen, das er hätscheln, aber auch fortstoßen kann, wie es ihm passt. Sie lässt es sich demütig gefallen und verbirgt ihre Gefühle für Culpepper unter einem Schleier weiblicher Hingabe. Außerdem -

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