Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
Teufel im Bunde stehe, aber heute kann ich über solche kindischen Ängste nur lachen, denn heute bin ich seine Favoritin und stehe so hoch in seiner Gunst, dass er Jane Boleyn, Lady Rochford, befohlen hat, sich besonders um mich zu kümmern, und ihr Geld gegeben hat, um mir ein Kleid zu kaufen. Offenbar hat er mich sehr lieb gewonnen und mag mich von allen Howard-Mädchen, die er bei Hofe untergebracht hat, am meisten. Er glaubt, dass ich die Interessen der Familie voranbringe, indem ich eine edle Partie mache oder mich mit der Königin anfreunde oder den König bezaubere. Ich hatte ihn für einen Mann von teuflischer Herzlosigkeit gehalten, aber nun finde ich, dass er ein sehr freundlicher Onkel ist.
Nach dem Dinner wird ein Maskenspiel aufgeführt, und der Hofnarr treibt ein paar besonders lustige Possen, und dann wird gesungen, was fast unerträglich langweilig ist. Der König, so höre ich, ist ein großer Musiker, und deshalb werden wir wohl jeden Abend eines seiner Lieder ertragen müssen. Es gibt eine Menge Tra-la-la, und alle lauschen gebannt und klatschen begeistert Beifall, als es zu Ende ist. Lady Anna hält offenbar so wenig davon wie ich, aber sie begeht den Fehler, mit leerem Blick auf die Sänger zu starren, als ob sie sich insgeheim wünschte, woanders zu sein. Ich sehe, wie der König ihr einen Blick zuwirft und sich rasch wieder abwendet, als sei er über ihre Unaufmerksamkeit verärgert. Vorsichtshalber falte ich die Hände unter meinem Kinn und lächele mit halb geschlossenen Augen, als könnte ich den seligen Gesang kaum ertragen. Und was für ein Glück! Zufällig schaut er wieder in meine Richtung und glaubt nun ganz bestimmt, dass seine Musik mich entzückt. Er schenkt mir ein Lächeln der Zustimmung, und ich erwidere es und senke dann wieder die Augen auf den Tisch, als fürchtete ich, ihn zu lange anzusehen.
»Gut gemacht«, lobt Lady Rochford, und ich strahle sie triumphierend an. Ich liebe, liebe, liebe das Leben bei Hofe. Ich schwöre, es wird mir noch den Kopf verdrehen.
J ANE B OLEYN , G REENWICH -P ALAST , S AMSTAG , 3. J ANUAR 1540
»Mylord«, sage ich mit einer tiefen Verneigung.
Wir befinden uns in den Howard-Gemächern auf Schloss Greenwich, einer wunderschönen Zimmerflucht, die fast so weitläufig und kostbar eingerichtet ist wie die Gemächer der Königin selbst. Einst wohnte ich hier mit George, als wir jung verheiratet waren, und ich entsinne mich noch des Blickes über den Fluss und des Morgenlichts, wenn ich erwachte: eine verliebte Frau, die den Flug der Schwäne hörte, wenn sie mit klatschenden Flügeln hoch über das Schloss flogen.
»Ah, Lady Rochford«, sagt der Herzog und lächelt über das ganze faltige Gesicht. »Ich wollte Euch sprechen.«
Ich warte.
»Ihr habt Euch mit Lady Anna angefreundet, Ihr kommt gut miteinander aus?«
»So weit dies möglich ist«, sage ich zurückhaltend. »Sie spricht noch sehr wenig Englisch, aber ich gebe mir große Mühe, damit sie mich versteht. Und ich glaube, sie mag mich.«
»Würde sie sich Euch anvertrauen?«
»Sie würde zuerst mit ihren klevischen Begleiterinnen sprechen, denke ich. Aber manchmal möchte sie etwas über England wissen. Sie vertraut mir, glaube ich.«
Er wendet sich zum Fenster und tippt nachdenklich mit dem Daumennagel an seine gelben Zähne. Sein bleiches Gesicht ist in nachdenkliche Falten verzogen.
»Es gibt da eine Schwierigkeit«, sagt er.
Ich warte.
»Wie Ihr bereits gehört habt, haben sie tatsächlich versäumt, ihr einwandfreie Dokumente mitzubringen«, sagt er. »Als Kind wurde sie mit Franz von Lothringen verlobt, und der König braucht die Bestätigung, dass diese Verlobung gelöst wurde, bevor er den nächsten Schritt unternimmt.«
»Sie ist gar nicht frei?«, frage ich erstaunt. »Obwohl der Vertrag geschlossen wurde und sie den ganzen Weg hergereist ist und bereits vom König als seine Braut empfangen wurde? Obwohl London sie bereits als neue Königin willkommen geheißen hat?«
»Es ist möglich«, sagt er ausweichend.
Es ist absolut unmöglich, aber ich bin nicht in der Position, dies zu entgegnen. »Wer behauptet, dass sie möglicherweise nicht frei ist?«
»Der König fürchtet, die Zeremonie fortzusetzen. Sein Gewissen ist beunruhigt.«
Ich zögere, ich kann nicht schnell genug denken, um daraus einen Sinn abzuleiten. Dieser König hat die Frau seines Bruders geheiratet und dann verstoßen, indem er behauptete, die Ehe sei ungültig. Dieser König hat Anne
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