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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ich rot und senke den Blick auf meinen Teller. Ich komme mir so unsagbar dumm vor. Und dann, als ich es wage, wieder aufzuschauen, unter den Wimpern hervor, um zu sehen, ob er mich immer noch anschaut, blickt er ganz woanders hin und hat mich überhaupt nie bemerkt.
    Aber der scharfe schwarze Blick meines Onkels Howard ruht auf mir, und ich habe schon Angst, dass er die Stirn runzeln wird: Vielleicht hätte ich einen Knicks machen sollen, als des Königs Blick auf mich fiel. Aber der Herzog nickt nur billigend und sagt etwas zu dem Mann zu seiner Rechten. Und der interessiert mich nun wirklich nicht, denn er muss weit über hundert sein!
    Ich bin wirklich erstaunt, wie alt diese ganzen Höflinge sind, und der König ist auch schon ziemlich alt. Ich hatte mir immer einen Hof voller junger Menschen vorgestellt, jung und schön und lebenslustig, nicht solche alten Männer. Ich schwöre, ich sehe keinen Freund des Königs, der auch nur einen Tag jünger ist als vierzig. Sein großer Freund Charles Brandon, der angeblich der Inbegriff von Glanz und Anmut sein soll, ist absolut alt, ein Greis von fünfzig Jahren. Meine Großmutter hat immer vom König als dem Prinzen gesprochen, den sie als junges Mädchen gekannt hat, und das ist natürlich der Grund, warum ich mir alles so anders vorgestellt habe. Sie ist schon so alt, dass sie vergisst, wie viele Jahre seither vergangen sind. Wahrscheinlich wähnt sie, dass sie alle miteinander noch jung wären. Wenn sie über die Königin spricht, meint sie stets Königin Katharina von Aragon, nicht Königin Jane und nicht einmal Lady Anne Boleyn. Sie überspringt einfach alle Königinnen seit Katharina. Tatsächlich war meine Großmutter so entsetzt über den Sturz ihrer Nichte Anne Boleyn, dass sie niemals von ihr spricht, es sei denn als furchtbare Warnung für ungezogene Mädchen wie mich.
    Das war nicht immer so. Ich kann mich noch daran erinnern, wie ich ins Haus meiner Stief-Großmutter in Horsham kam und wie jeder zweite Satz von »meiner Nichte, der Königin« handelte und wie jeder an London gerichtete Brief um einen Gefallen oder eine kleine Zuwendung bat, um eine Stellung für einen Diener oder die Beteiligung an einem beschlagnahmten Klosterschatz. Oder Großmutter bat die Königin, einen Priester seines Amtes zu entheben oder ein Nonnenkloster abzureißen. Nachdem die Königin ein Mädchen zur Welt gebracht hatte, hieß es ständig »unser Baby, die Prinzessin Elisabeth«, und man hegte die Hoffnung, dass das nächste Baby ein Junge werde. Alle versprachen mir eine Stellung im Haushalt meiner Cousine bei Hofe. Ich sollte mit der Königin von England verwandt sein, und wo würde ich besser einen Ehemann finden können? Wir waren auf eine weitere Howard-Verbindung mit dem König aus: Mary war ja mit Henry Fitzroy, dem unehelichen Sohn des Königs, verheiratet worden, und ein Cousin aus unserer Familie war bereits für die Prinzessin Maria vorgesehen. Wir waren so verschwägert mit den Tudors, dass wir bald selbst königlich waren. Doch dann, allmählich und unmerklich, wie das Herannahen des Winters, wurde nicht mehr so viel von Königin Anne gesprochen, war nicht mehr die Rede davon, dass ich bei ihr in Dienst gehen sollte. Und eines Tages rief Großmutter das ganze Haus zusammen und sagte unvermittelt, dass Anne Boleyn (so nannte sie sie nun, kein Titel mehr und auf keinen Fall Verwandtschaft) sich selbst und ihre Familie in Ungnade gebracht habe, dass sie den König betrogen habe und dass ihr Name und ihres Bruders Name niemals mehr erwähnt werden dürften.
    Natürlich wollten wir alle unbedingt erfahren, was geschehen war, doch wir mussten auf den Klatsch der Dienstboten warten. Erst als die Nachrichten aus London eintrafen, erfuhr ich, was meine Cousine Anne getan hatte. Meine Zofe sagte es mir, ich habe ihre Stimme noch im Ohr. Lady Anne war schrecklicher Verbrechen angeklagt worden, des Ehebruchs mit vielen Männern, sogar mit ihrem Bruder. Man zieh sie der Hexerei, des Hochverrats ... Es war eine ganze Kette furchtbarer Dinge, von denen mir, dem entsetzten kleinen Mädchen, eines besonders auffiel: dass ihr Ankläger ihr eigener Onkel war, mein Onkel Norfolk. Dass er bei Gericht den Vorsitz führte, dass er das Todesurteil sprach und dass sein Sohn, mein schöner Cousin, zum Tower ging, wie man zum Jahrmarkt geht, um die Hinrichtung seiner Cousine zu sehen.
    Ich dachte damals, mein Onkel müsse ein so Furcht erregender Mann sein, dass er möglicherweise mit dem

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