Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance
Königin von England ist. Sie lächelt der kleinen Lady Elisabeth zu, die ganz versunken umherhüpft. Auch der König klopft mit seinem gesunden Fuß den Takt der Musik, selbst Prinzessin Maria sieht glücklich aus.
»Vielleicht nicht dieses Jahr, vielleicht nicht einmal nächstes«, fährt mein Onkel fort. »Aber du musst das Interesse des Königs schüren und ihn glauben machen, dass deine Liebe es wert ist. So hat Anne Boleyn es gemacht, sie ließ ihn nicht an sich heran, sechs Jahre lang, und sie begann ihr Manöver, als er noch in seine Frau verliebt war. Das ist nicht das Werk eines Tages, sondern ein Meisterwerk, das dein ganzes Leben in Anspruch nehmen wird. Er darf auf keinen Fall glauben, dass er dich zu seiner Mätresse machen kann. Er muss dich respektieren, Katherine, als ob du eine junge Dame wärest, die nur durch Heirat zu bekommen ist. Meinst du, dass du ihn dazu bringen kannst?«
»Ich weiß nicht«, sage ich. »Er ist doch der König. Weiß er nicht ohnehin, was die Menschen denken? Wird ihm das nicht von Gott eingegeben?«
»Gott helfe uns, was ist das Mädchen dumm!«, brummt mein Onkel. »Katherine, er ist ein Mann wie jeder andere, doch jetzt, im Alter, ist er argwöhnischer und rachsüchtiger als die meisten Menschen. Er hat ein leichteres Leben gehabt als andere, er hat ein Leben lang seinen Launen und Leidenschaften frönen können. Wo er hinkam, hat er Freundlichkeit erfahren, niemand hat ihm etwas verwehren können, seit er Katharina von Aragon verstieß. Er ist es gewöhnt, in allem seinen Willen zu bekommen. Diesem Mann, einem sehr verwöhnten Mann, sollst du gefallen. Da er bereits von Frauen umgeben ist, die ihn bewundern, musst du ihm das Gefühl geben, dass du etwas Besonderes bist. Du musst etwas Besonderes tun. Du musst ihn erregen, doch er darf dich nicht berühren. Dies ist es, was ich dich bitte zu tun. Du kannst neue Kleider haben, und Lady Rochford wird dich unterstützen, aber der Erfolg hängt letztlich von dir ab. Kannst du es?«
»Ich kann es versuchen«, sage ich zögernd. »Aber was passiert dann? Wenn er verliebt und erregt ist, aber vollkommen arglos? Ich kann ihm doch kaum erzählen, dass ich hoffe, Königin zu werden, wenn ich eine Ehrenjungfer der Königin bin.«
»Das kannst du getrost mir überlassen«, erwidert er. »Du tust deinen Teil, und ich tue den meinen. Aber du musst dir Mühe geben. Mach das, was du auch jetzt tust, nur mehr. Ich will, dass du ihn vorantreibst.«
Ich zögere. Ich würde nur zu gern einwilligen, ich denke bereits an die Geschenke, die ich bekommen werde, an den Wirbel, den sie alle um mich machen werden, wenn die Neigung des Königs zu mir offenkundig wird. Aber Anne Boleyn muss es einst ähnlich gegangen sein. Vielleicht hat er ihr dieselben Ratschläge gegeben, und seht nur, wohin sie sie geführt haben! Ich weiß nicht, wie weit der Herzog daran beteiligt war, dass sie auf den Thron gelangte und letzten Endes aufs Schafott. Ich weiß nicht, ob er mich besser zu schützen vermag als sie. »Was, wenn ich es nicht kann?«, frage ich. »Was, wenn etwas schiefgeht?«
Er schmunzelt. »Willst du mir etwa sagen, dass du auch nur für einen Moment an deiner Fähigkeit zweifelst, jedweden Mann in dich verliebt zu machen?«
Ich versuche, eine ernste Miene zu bewahren, aber vor lauter Eitelkeit kann ich nicht würdig bleiben und erwidere sein Schmunzeln. »Nein, eigentlich nicht«, sage ich.
J ANE B OLEYN , H AMPTON C OURT , M ÄRZ 1540
Wir reiten nach London, zur Parlamentseröffnung im Westminster-Palast. Aber dieser Ritt nach London ähnelt nicht unserem Auszug aus der Stadt. Etwas hat sich verändert. Ich komme mir vor wie ein alter Jagdhund, ein Anführer der Meute, der seinen ergrauten Kopf hebt und den veränderten Wind erschnuppert. Als wir die Stadt verließen, ritt der König zwischen der Königin und der jungen Kitty Howard und ließ jeder von beiden den gleichen Anteil seines Lächelns zukommen. Nun jedoch erscheint mir, und vielleicht nur mir, das Schauspiel verändert. Wieder einmal reitet der König zwischen der Königin und seiner kleinen Favoritin, aber heute ist sein Kopf stets zur Linken gewandt. Katherine fesselt seine Aufmerksamkeit wie eine Eintagsfliege einen hungrigen, fetten Karpfen. Der König glotzt Katherine Howard an, als wollte er sie verschlingen, und die Königin zu seiner Rechten und selbst Prinzessin Maria, die neben ihnen reitet, können ihn nicht von der Kleinen ablenken, können nichts weiter
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