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Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance

Titel: Das Erbe der Königin - Gregory, P: Erbe der Königin - The Boleyn Inheritance Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Gregory
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ist ein Tyrann, der niemandem Rechenschaft schuldig ist. Er beherrscht Leib und Seele seiner Untertanen. In seinem Land spricht er an Gottes statt. Er ist davon überzeugt, dass er Gottes Willen verkörpert, dass Gott unmittelbar durch ihn spricht, dass er ein Gott auf Erden ist. Er wird genau das tun, was er wünscht, er wird entscheiden, ob es richtig oder falsch ist, und dann wird er behaupten, dass Gott es so gewollt hat. Schreibt meinem Bruder, dass er mich wirklich in Gefahr bringt, wenn er mir diesen einen wichtigen Wunsch nicht erfüllt. Er muss die Dokumente schicken, andernfalls fürchte ich um mein Leben.«

 
 
K ATHERINE , H AMPTON C OURT , M ÄRZ 1540
 
    Es ist Ostermorgen, und ich hoffe mit aller Macht, dass es dieses Jahr ein frohes Ostern wird! Ich hasse die Fastenzeit - wofür soll ich denn büßen, was habe ich zu bereuen? Fast nichts. Aber dieses Jahr habe ich die Fastenzeit noch mehr gehasst als sonst, denn es gab keine Bälle und keine Musik außer öden Kirchenliedern und Psalmen, und das Schlimmste war, dass wir keine Maskenspiele und Theaterstücke aufgeführt haben. Aber nun kommt Ostern, und wir werden feiern! Prinzessin Maria wird am Hof erwartet, und wir sterben vor Neugier zu erfahren, wie sie sich mit ihrer neuen Stiefmutter verstehen wird. Kichernd stellen wir uns die Begrüßung der beiden vor: Ob die Königin wohl versuchen wird, ein Stiefkind zu bemuttern, das nur ein Jahr jünger ist als sie selbst? Ob sie wohl versuchen wird, mit der Prinzessin deutsch zu sprechen oder sie zum reformierten Glauben zu überreden. Das wird bestimmt besser als jedes Theaterstück! Prinzessin Maria soll angeblich sehr ernst und fromm und traurig sein, während die Königin oft sehr fröhlich und unbeschwert ist und als Lutheranerin oder Erasmianerin erzogen wurde oder sonst etwas Reformatorisches. So stehen wir alle auf Zehenspitzen am Fenster und versuchen, einen Blick auf Prinzessin Maria zu erhaschen, während sie auf das Schloss zureitet, und dann trippeln wir wie eine Schar aufgeregter Hühner zu den Gemächern der Königin, bevor Prinzessin Maria die Treppe hinaufgeführt wird. Wir sinken auf die Schemel und tun so, als hätten wir die ganze Zeit still genäht und einer Bibellesung zugehört. Schmunzelnd nennt die Königin uns »ungezogene Mädchen«, und dann klopft es und herein kommt die Prinzessin mit - Überraschung! - der kleinen Elisabeth an der Hand.
    Wir springen alle auf und sinken in einen tiefen Knicks; bei Prinzessin Maria müssen wir darauf achten, dass der Knicks unseren Respekt vor einem Abkömmling aus königlichem Geblüt ausdrückt. Dann aber müssen wir schnell wieder hochkommen, damit Lady Elisabeth nicht denkt, der Knicks gelte ihr, denn sie ist nur ein illegitimes Kind des Königs und vielleicht nicht einmal sein Kind. Aber ich lächele sie an und strecke ihr die Zunge raus, als sie an mir vorbeigeht, denn sie ist nur ein kleines Mädchen, ein armes kleines Püppchen, erst sechs Jahre alt, und außerdem ist sie meine Cousine, aber sie hat das schrecklichste Haar, das man sich vorstellen kann, rot wie eine Karotte! Ich würde sterben, wenn ich solches Haar hätte, aber es ist das Haar ihres Vaters, und das muss einiges wert sein für ein Kind, dessen Herkunft in Zweifel gezogen wird.
    Die Königin erhebt sich, um ihre beiden Stieftöchter zu begrüßen. Sie küsst sie auf beide Wangen, und dann nimmt sie die beiden mit in ihr Privatgemach und schlägt uns die Tür vor der Nase zu, als wäre nichts wichtiger, als mit den beiden allein zu sein. Wir stehen also vor der Tür und langweilen uns ohne Musik und ohne jede Lustbarkeit und, schlimmer noch, ohne eine Ahnung davon, was hinter dieser geschlossenen Tür vorgehen mag. Ich mache wie unabsichtlich ein paar Schritte zur Tür hin, doch Lady Rochford tadelt mich sofort mit Blicken, und ich ziehe die Augenbrauen hoch und frage ganz erstaunt »Was?«, als könnte ich mir nicht vorstellen, dass sie mich am Lauschen hindern will.
    Doch schon nach wenigen Minuten vernehmen wir das Lachen und das fröhliche Geplapper der kleinen Elisabeth, und nach einer halben Stunde wird die Tür aufgestoßen und die drei spazieren heraus: Die kleine Elisabeth geht an der Hand der Königin, und Prinzessin Maria, die bei ihrer Ankunft so mürrisch und bedrückt wirkte, lächelt nun und hat vor Eifer ganz rote Wangen bekommen. Die Königin stellt uns alle vor, und Prinzessin Maria lächelt uns allen gnädig zu, obwohl die Hälfte von uns ihre

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