Das Erbe der Lens
bloß?«
»Ehrlich, ich weiß es nicht.« In ihren Augen stand Liebe und Stolz, als sie ihren Erstgeborenen anblickte. »Du machst dich über mich lustig.«
»Aber nein, meine Liebe. Du schaust doch hoffentlich ab und zu einmal in den Spiegel, nicht wahr? Jedenfalls müßtest du wissen, was ich meine.«
»Na ja, ab und zu werfe ich einen Blick hinein.« Clarissa lachte leise. »Du glaubst doch nicht etwa, daß all der Charme und Glanz von selbst kommt, wie? Mein lieber Sohn – ich glaube kaum, daß du all die Parsek zurückgelegt hast, um deiner alten Mutter Komplimente zu machen – obwohl ich zugeben muß, daß mir so etwas immer guttut.«
»Du hast natürlich recht, Mutter«, sagte Kit und wurde ernst. »Ich wollte mich mit dir über Lyrane und die Aufgabe unterhalten, die dich dort erwartet.«
»Warum?« fragte sie. »Weißt du denn etwas darüber?«
»Leider nicht«, erwiderte er, und das Stirnrunzeln erinnerte sie sehr an den charakteristischen Gesichtsausdruck seines Vaters. »Jedenfalls beschränkt sich mein Teil auf Vermutungen und Theorien, die wohl keine rechte Grundlage haben. Aber ich wollte eigentlich etwas anderes mit dir ... ich ...« Er hielt inne wie ein kleiner Schuljunge, der einen schlimmen Streich gestehen muß, und fuhr langsam fort: »Würde es dir etwas ausmachen, wenn ich einmal ein etwas persönliches Thema anschneide?«
»Du weißt doch, daß du mit mir über alles sprechen kannst. Ich wüßte kein Thema, das zu persönlich wäre, als daß wir beide es nicht offen behandeln könnten.«
»Mom – so meine ich es nicht! Als Frau bist du für mich ... eben meine Mutter. Als Freie Lens-Trägerin ragst du meilenweit über alle anderen Freien Lens-Träger hinaus, und ich bin der Meinung, daß du eigentlich eine Lens-Trägerin Zweiter Ordnung sein solltest. Immerhin könntest du es eines Tages mit Problemen zu tun bekommen, das etwas zu gefährlich für dich ist, und ich ... ich meine, du ...«
»Du meinst, daß ich den Anforderungen dann nicht gewachsen sein könnte?« fragte sie ruhig. »Ich weiß sehr wohl, daß ich das nicht bin – und über eine so offensichtliche Tatsache zu sprechen, tut mir bestimmt nicht weh, mein Sohn. Bitte, unterbrich mich nicht«, sagte sie schnell, als Kit etwas erwidern wollte. »Eigentlich halte ich es den anderen gegenüber für falsch, daß ich als Lens-Trägerin eingestuft werde. Wenn ich bedenke, was diese Männer durchmachen mußten, um sich ihre Lens zu verdienen – von der Entlassung zum Freien Lens-Träger ganz zu schweigen. Du weißt ebensogut wie ich, daß ich eigentlich nichts getan habe, um mit meine Lens zu verdienen, die mir auf einem silbernen Tablett überreicht wurde. Ich bin ihrer nicht würdig.«
»Mutter, hast du dich jemals einem anderen gegenüber so geäußert?« Kit beruhigte sich – seine Aufgabe war nicht so schwer, wie er geglaubt hatte.
»Das konnte ich nicht, Kit – aber wie ich sagte, mit dir kann ich über solche Dinge sprechen.«
»QX. Ich glaube, wir können die Sache sehr schnell aus der Welt schaffen, wenn du mir nur eine Frage beantwortest. Glaubst du wirklich, daß man dir eine Lens gegeben hätte, wenn du ihrer nicht würdig gewesen wärst? Und zwar in jeder Beziehung?«
»Nun ... ich ... Von dieser Seite habe ich die Sache noch gar nicht betrachtet ... nein ... vielleicht nicht.« Clarissas Gesicht hellte sich auf. »aber ich verstehe noch immer nicht, wieso ich ...«
»Ganz einfach!« wurde sie unterbrochen. »Das, was sich die anderen Männer hart erarbeiten mußten, war dir bereits in die Wiege gelegt – Dinge, die keine andere Frau besitzt.«
»Mit Ausnahme der Mädchen«, wiederholte Kit. »Du kannst mir glauben, daß dich die anderen Lens-Träger für durchaus befähigt halten. Sie wissen sehr wohl, daß die Arisier niemandem eine Lens geben würden, der nicht die erforderlichen Eigenschaften mitbringt. Kommen wir zurück auf das Problem, das mich hergeführt hat. Es handelt sich nicht darum, daß du den Anforderungen nicht gewachsen bist – denn das würde nicht zutreffen. Vielmehr bist du eigentlich schon eine Lens-Trägerin Zweiter Ordnung – und das weißt du, Mom –, aber du bist niemals nach Arisia gegangen, um dort dein LT2-Training zu absolvieren. Ich möchte dich ungern ohne richtige Vorbereitungen auf eine Aufgabe loslassen, die vielleicht gefährlich ist. Mit Mentor könntest du die Sache in kurzer Zeit hinter dich bringen. Warum fliegst du nicht sofort nach Arisia? Ich kann dich auch
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