Das Erbe der Lens
Ernennung zum Lens-Träger habe ich sie nicht mehr gesehen.«
»Natürlich. Hier.« Und Kit langte in die Tasche. »Ich scheine in diesem Punkt nach dir zu schlagen. Es machte mir ebenfalls keinen Spaß, überall damit zu protzen.«
Die Lens leuchtete an seinem Handgelenk auf. Sie war noch größer als Clarissas Juwel und schien feiner gemasert zu sein. Ihre Farben waren sehr intensiv. Kit betrachtete die beiden Lens, ergriff plötzlich den Arm seiner Mutter und führte die beiden schimmernden Gebilde zusammen.
»Das ist es!« keuchte er. »Das
ist
es ...!«
»Was ist los? Was meinst du?«
»Ich begreife endlich einige Zusammenhänge – und wenn die Mädchen Lens-Trägerinnen wären, müßten ihre Lens die gleiche Maserungen haben. Erinnerst du dich an Vaters Lens? Schau dir die Dominanten in deinem Muster an – sie kehren hier auf meiner Lens wieder. Und wenn du sie dir bei mir wegdenkst, was bleibt da übrig? Der reine, unverbrämte Kimball Kinnison! Hm ... so ist das also, wenn Vater und Mutter Lens-Träger sind – ich möchte wetten ... Kein Wunder, daß wir so aus der Art schlagen! Ich weiß nicht, was ich davon halten soll. Jedenfalls verstehe ich jetzt, warum es nicht mehr Lens-Trägerinnen gibt, was vielleicht auch ganz gut ist ...«
»Das meinst du doch nicht ernst«, erwiderte Clarissa tadelnd. »Die Arisier werden jedenfalls ihre Gründe haben. Ich weiß, daß dir die Zeit unter den Nägeln brennt ... ich werde dich also nicht länger aufhalten. Vielen Dank, mein Sohn, und Raum-ho!«
»Raum-ho, Mom. Wir werden uns bestimmt bald wiedersehen. Und wenn du Schwierigkeiten hast, brauchst du nur um Hilfe zu rufen, und ich bin sofort zur Stelle.«
Er umarmte sie und kehrte an Bord seines Schiffes zurück. Er sagte ihr nicht, daß er das große Geheimnis der Lens nur »entdeckt« hatte, um seine Mutter von weiteren Fragen abzuhalten, die er nicht beantworten konnte.
Clarissa Kinnison nahm zuerst an, daß ihr vor der Ankunft auf Lyrane II nicht genug Zeit bleiben würde, ihre Gedanken zu ordnen, doch auf Grund ihrer neuen Fähigkeiten hatte sie sich sehr schnell wieder gefangen. Sie hatte sogar Gelegenheit, sich die Einzelheiten ihres früheren Lyrane-Besuches wieder ins Gedächtnis zurückzurufen und in großen Zügen festzulegen, wie sie jetzt vorgehen wollte. Zuerst mußte sie sich zurückhalten und die Lyranerinnen vor allem über ihre neuen Talente im unklaren lassen. Helena war eine Frau, mit der man umgehen konnte, aber von den meisten anderen Lyranerinnen, besonders vor der Flughafenverwalterin, mußte sie sich in acht nehmen. Jedenfalls wollte sie sehr vorsichtig sein.
Sie steuerte ihr Schiff durch die Stratosphäre Lyranes und brachte es über der Stadt zum Stillstand, an die sie sich noch gut erinnerte. »Helena von Lyrane!« sandte sie einen Gedanken aus. »Ich weiß, daß sie nicht so heißen, aber unter einem anderen Namen kenne ich Sie nicht ...«
Verblüfft hielt sie inne. Was war das? War das nicht ein Gedanke Helenas gewesen, der von einer Gedankensperre überlagert wurde, ehe er richtig Gestalt annehmen konnte? Oder hatte sie sich geirrt?
»Wer sind Sie, Fremde, und was wollen Sie?« meldete sich gleich darauf eine Person, die hinter Helenas Tisch saß.
Clarissa betrachtete die Frau. Irgendwo hatte sie dieses Gesicht schon einmal gesehen. Ihr neuer Geist arbeitete ausgezeichnet – jetzt erinnerte sie sich an jede Einzelheit.
»Freier Lens-Trägerin Clarissa, früher Sol III. Ich erinnere mich an Sie, Ladora – obwohl Sie bei meinem letzten Besuch noch ein Kind waren. Kennen Sie mich noch?«
»Ja. Ich wiederhole meine Frage: Was wollen Sie?« Ladoras Ton blieb feindselig.
»Ich möchte gern mit der früheren Ältesten dieses Planeten sprechen, wenn das möglich ist.«
»Das ist nicht möglich, denn diese Person weilt nicht mehr unter uns. Verlassen Sie Lyrane sofort, oder wir schießen Sie ab!«
»Das sollten Sie sich noch einmal überlegen, Ladora«, sagte Clarissa ruhig. »Ihr Gedächtnis ist doch bestimmt nicht so schlecht, daß Sie die
Dauntless
und ihre Waffen vergessen haben.«
»Ich erinnere mich daran. Sie können das, was Sie mit meiner Vorgängerin besprechen wollten, auch mit mir klären.«
»Sie erinnern sich bestimmt an die boskonische Invasion, die vor vielen Jahren stattgefunden hat. Wir vermuten, daß Boskone wieder den Versuch unternimmt, überall in der Galaxis Unruhe zu stiften, und daß Lyrane in diesen Plänen eine gewisse Rolle spielt. Ich bin
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