Das Erbe der Pandora
ihren Garten von Marges Grundstück
trennte, und spähte durch das Gebüsch. Sie war überrascht, als sie ihre Mutter
mit einer bunten Papierblume im Haar, einer Bauernbluse mit grellen
Stickmustern um die Passe herum und einem Fransenschal, den sie sich um die
Hüften geknotet hatte, sah. Sie tanzte ausgelassen, wackelte mit den Schultern
und schnipste mit den Fingern, wobei sie beide Arme hochhielt. Ihr Partner war
ein älterer Herr, der einen schwarzen Sombrero mit breiter Hutkrempe und
silbernen Ziermünzen trug.
» Olé! « rief Marge und klatschte
im Rhythmus der Musik in die Hände. » Arriba! «
»Yi , yiyiyi! « schrie ein anderer kleiner Mann mit
dichtem, weißen Haar, der einen Martini-Shaker im Takt schüttelte.
Iris schaute sich das Ganze
fassungslos an. Männer, Musik, Martinis und ihre Mutter? Was zum Teufel
ging da vor sich?
Marge entdeckte Iris. »Hallöchen,
Süße! Kommen Sie doch rüber und feiern Sie mit!« Marge zeigte auf den Partner
von Iris’ Mutter. »Das ist Mel.«
Mel nahm seinen Sombrero ab und
verbeugte sich, wobei er seinen kahlen Schädel entblößte.
Als nächsten stellte Marge ihr den
Draufgänger mit dem silbrigen Haar vor. »Das ist Frosty. Wir kommen gerade von
der Olvera Street zurück. Finden Sie die Olvera Street nicht auch einfach herrlich ?
Es ist die älteste Straße von L.A., wissen Sie? Ich bewundere die Art und Weise,
wie sie dort das mexikanische Erbe der Stadt am Leben erhalten.«
»Mom!« schrie Iris. »Was machst du
da?«
»Ich glaube, den Mambo«, erklärte Mel.
»Ich amüsiere mich nur ein bißchen«,
sagte Rose außer Atem. »Du hast mir doch gesagt, daß ich öfter ausgehen soll,
und du hattest recht.«
Die vier versuchten vergeblich, Iris
zum Mitfeiern zu überreden. Sie hatte zufrieden vor sich hin geschmollt, vielen
Dank, bevor sie sie unterbrochen hatten. Und diese neue Seite an ihrer Mutter
war etwas mehr, als ihre angegriffenen Nerven im Moment vertragen konnten.
Sie kippte den Rest ihres Weines
hinunter und zog sich ins Haus zurück, in dem — wie das Thermometer anzeigte —
kühle achtzehn Grad herrschten. Sie warf die Heizung an, um die Temperatur auf
annehmbare zweiundzwanzig Grad zu steigern.
Sie setzte sich an den Eßtisch, schob
sich ein Stück Maguro in den Mund und dachte über die Entwicklung der
Ereignisse nach. Sicher, sie hatte ihrer Mutter gesagt, sie solle endlich ein
eigenständiges Leben führen, aber so hatte sie sich das nicht vorgestellt. Sie
hatte an ein paar nette, ältere Damen zum Bridgespielen gedacht und mit
Sicherheit nicht von ihrer Mutter erwartet, daß sie ein eigenständigeres Leben
führte als sie selbst. Iris nahm eine Handvoll Salat aus der Zellophantüte,
schob sie in den Mund und kaute trübselig darauf herum.
Sie leckte sich Wasabi und den
klebrigen Reis von den Fingern, klappte ihren Laptop auf und schaltete ihn ein.
Er gab ein ratterndes Geräusch von sich, während die Daten in den
Arbeitsspeicher geladen wurden. Sie öffnete Trottel verlieren immer und
spielte dort weiter, wo sie beim letzten Mal aufgehört hatte, in der Mitte des
zweiten Levels. Da sie keine geübte Spielerin war, war sie nicht sehr weit
gekommen.
Sie schaffte es, sich den Teflon-Anzug
zu schnappen, um damit durch einen Fluß grünen Schleims zu schwimmen, und
tötete drei von vier Rottweilern und die meisten der Morphdrohnen, bevor sie
einen Karton aufhob, von dem sie dachte, daß er Munition enthielt. Schwerer
Fehler. Lauter Schlangen waren darin, die Slade Slayer überfielen, woraufhin er
schreiend und in Todesqualen zu Boden ging.
»Verdammt.«
Sie fing das Spiel noch dreimal neu an
und starb noch dreimal, bevor sie den Computer schließlich ausstellte. Zwei
Stunden waren vergangen. Sie wußte, daß sie es hinauszögerte, Kip zu sagen, daß
sie das Angebot von T. Duke annehmen würde. Sie hatte es hinausgezögert, seit
sie nach Hause gekommen war. Sie hätte direkt zu seinem Haus fahren sollen.
Sie zog sich eine Jeans an, die etwas
präsentabler war als ihre labberige Jogginghose, steckte ihr Flanellhemd hinein
und wühlte ihre Haufen und Kartons voller Klamotten durch, bis sie schließlich
ihren dicken Fischerpullover aus Wolle sichtete.
Sie setzte sich in den Triumph. Das
Haus von Kip Cross lag nur zwei steile Straßen weiter oben, aber es wurde
allmählich dunkel, und ihr war jetzt schon unheimlich zumute. Sie drehte den
Schlüssel in der Zündung herum. Ein scharfes Klicken war zu hören. Sie
versuchte es noch einmal, und
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