Das Erbe der Pandora
Gestalt, von Kopf bis Fuß schwarz, mit einem
Slade-Slayer-Kopf. Die Bilder bestehen nur aus Strichmännchen und Farbklecksen.
Man muß schon wissen, wonach man sucht, um es zu verstehen.«
»Ich würde sie gern mal sehen.« In
Gedanken ging Iris ihre Termine durch und fand keine Zeit, um bei den Tylers
vorbeizuschauen. »Könnten Sie mir die Bilder schicken?« Sie gab Natalie die
nötigen Informationen.
Endlich sah Iris ein Lichtsignal auf
der Straße mitten auf der ersten Fahrspur. Einige Meter weiter stand noch ein
Signal, mehr in der Mitte der Fahrbahn, um den Verkehr von vier Spuren auf drei
zu zwängen. Die Fahrer verknüpften die Spuren zuvorkommend im
Reißverschlußsystem. Iris fädelte sich ebenfalls ein.
Iris erzählte Bridgets Mutter von
einem Gedanken, um zu sehen, wie sie darauf reagierte. »Mrs. Tyler, was wäre,
wenn ich Bridgets Vision für Pandora nicht erfüllen kann?«
»Was meinst du damit?«
»Was ist, wenn ich es nicht schaffe,
mit Pandora an die Börse zu gehen und einen Giganten der Computerunterhaltung
daraus zu machen? Was ist, wenn die Umstände sich derart geändert haben, daß
die beste Lösung darin bestünde, Pandora an T. Duke Sawyer zu verkaufen? Würde
Bridget denken, ich hätte sie im Stich gelassen?«
»Nein, Kleines. Natürlich nicht. Du
hast dein Bestes gegeben. Mehr hat Bridget nicht erwartet. Unter den gegebenen
Umständen wäre sie zu dem gleichen Schluß gekommen.«
Sie beendeten das Gespräch, und die
Unfallstelle war endlich in Sichtweite. Autos der California Highway Patrol
standen herum, Beamte in khakifarbenen Uniformen, verstörte Zivilisten, ein
rot-weißer Ambulanzwagen und drei beschädigte Autos: ein Jeep Cherokee, ein
Honda Passport und ein Dodge Intrepid. Anscheinend hatte der Dodge verloren.
Einer der Polizisten stand am Rande
des Schlamassels und schaute die Fahrer finster an, während er mit dem Arm
wedelte und versuchte, die Schaulustigen vorbeizulotsen. Iris ließ sich nicht
davon abbringen. Sie hatte genauso lange gewartet wie alle anderen. Sie
gestattete sich einen langen Blick, bevor sie weiterfuhr.
Iris stellte den Triumph auf ihrer
Auffahrt ab, da die Garage immer noch mit Kartons vollgestellt war. Sie hatte
sich so auf den Umzug in ihr neues Haus gefreut, und nun hatte sie das Gefühl,
daß sie es nur als Schlafstätte benutzte. Sie hatte sich noch nicht einmal
einen Einkaufsbummel gegönnt. In ihrer heißgeliebten Edelboutique fand ein
Ausverkauf statt, und sie fand keine Zeit, um sich dort mal umzuschauen. Seit
drei Tagen hatte sie nicht mehr mit Garland gesprochen. Sie hatten sich nur
gegenseitig Nachrichten auf Band hinterlassen. Welch eine Art, eine Beziehung
aufzubauen. Was hatte sie sich dabei gedacht, sich in jemanden zu verlieben,
der an der Ostküste wohnte? Hätte sie denn nicht jemanden in L .A. finden
können?
Ach, ich Arme, sagte sie zu sich. Ach, ich Arme.
Ich bin doch nur ein Vogel im Goldkäfig.
Im Schlafzimmer zog sie ihre
Bürokleidung aus und warf ihre Strumpfhose auf einen immer größer werdenden
Haufen. Sie zog eine abgetragene Jogginghose an, die beim Waschen einige
Zentimeter kürzer geworden war, ein weiches kariertes Flanellhemd und
ausgelatschte Turnschuhe mit rissigen, abbröckelnden Gummisohlen.
In der Küche schob sie ihr Abendessen
— das mitgenommene Sushi und den Zellophanbeutel mit dem Salat — in den
Kühlschrank und goß sich ein Glas Chardonnay ein. Sie ging hinaus in den
Garten, legte sich in ihren Liegestuhl und schaute entspannt aufs Meer und in
den Himmel, der durch den Sonnenuntergang rosa gefärbt war. Es war kühl. Es sah
so aus, als wäre der Winter letztendlich doch in Südkalifornien eingekehrt.
Sie rubbelte sich über die Arme. Sie
konnte es nicht ausstehen, wenn sie fror. Da sie in L.A. geboren und
aufgewachsen war, gab es wohl nichts, was sie noch weniger ausstehen konnte.
Nicht einmal Hunger war schlimmer. Zumal sie einen großen Teil ihres Lebens
damit verbracht hatte, freiwillig zu hungern. Zu frieren war ihr tatsächlich
mehr zuwider als körperlicher Schmerz.
Sie stellte ihr Weinglas auf der
Rotholz-Veranda ab und wollte gerade ins Haus gehen, um etwas Wärmeres
anzuziehen, als sie ein undeutliches Geschrei, gefolgt von einem Lachen hörte.
Kurz darauf vernahm sie Musik mit einem lateinamerikanischem Rhythmus und einer
langen von Blechinstrumenten gespielten Passage. Es kam von Marges Terrasse
herüber.
Iris kroch zu der dichten Hecke, die
den Maschendrahtzaun versteckte, der
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