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Das Erbe der Phaetonen

Das Erbe der Phaetonen

Titel: Das Erbe der Phaetonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georgi Martynow
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sem Gang keine Bretter liegen. Sobald die Anziehungskraft der Erde geschwunden war, würden die Menschen ohne weiteres auch an der „Decke“ entlanggehen können.
       Übrigens würden sie ja gar nicht gehen können, sann sie. – Wie soll man denn gehen können, wenn die Schwerkraft fehlt?
       Sie hatte sich oft Gedanken über die Bedingungen eines Raumfluges gemacht, aber nie eine so klare Vorstellung von ihnen gehabt wie in diesem Augenblick. An Bord des Raum- schiffes war alles ungewöhnlich und nicht mit den Verhältnissen auf der Erde zu vergleichen. Der Mensch, der diese Planken betrat, löste sich gleichsam von der Erde und ihrem Leben und wurde in eine andere, fremdartige Welt versetzt, die nach ihren besonderen Gesetzen lebte.
       Und so war es wirklich. Das Raumschiff gehörte seinem Wesen nach nicht der Erde an. Es war auf ihr nur ein vorüber- gehender Gast. Sein wahres Leben verlief in den Weiten des Kosmos, für die der Mensch es geschaffen hatte. Im Gegensatz zu ausnahmslos allen anderen Werken von Menschenhand wurde es auf Erden nicht gebraucht.
       Alle zehn Meter wurde der Korridor durch ein Schott ab- geteilt. Im Augenblick standen die Türen offen. Aber den Tür- rahmen bildete jeweils eine hohe Schwelle, über die man hin- wegsteigen mußte. Es war ermüdend.
       „Wie unbequem“, äußerte Olga.
       „Dafür ist es beim Flug sehr bequem“, entgegnete Melnikow. „Hier ist meine Kajüte“, setzte er hinzu. „Hineingehen können wir jetzt nicht, aber wir können sie uns ansehen.“
       Die Tür war ebenso rund wie die Schotte im Korridor, aber sie war als Schiebetür gebaut. Der untere Rand des Türrahmens befand sich in Brusthöhe Olgas, und sie spähte wie durch ein Fenster in die Kajüte hinein.
       Die Kajüte hatte Kugelgestalt und maß fünf Meter im Durch- messer. Ihre Wände waren ebenso gepolstert wie die des Korri- dors. Bloß waren die „Lederkissen“ hier nicht braun, sondern hellgrau. Die Einrichtung konnte nur mit Vorbehalt als solche bezeichnet werden. Gewöhnliche Gegenstände wie Stühle, Sessel oder eine Couch fehlten. Weder Bett noch Tisch standen in die- sem Raum. Der Tür gegenüber befand sich eine große Schalt- tafel mit zahlreichen Vorrichtungen, drei Hähnen und minde- stens dreißig Knöpfen und Hebeln. Dicht daneben hing ein großes Netz mit Metallspangen. Etwas, was entfernt an einen Schrank erinnerte, befand sich an der einen Seite der Schalttafel. Der Gegenstand hatte ellipsoide Form und besaß eine Flügel- tür, die ihn einem Schrank ähnlich machte. Ein fast gleicher Gegenstand stand auf der anderen Seite der Kajüte. Neben der Tür entdeckte Olga ein lackiertes Holzbrett, das in Lederschlau- fen hing. Die Kajüte wurde von sechs Lampen erhellt, wie sie auch im Korridor hingen. Vom „irdischen“ Standpunkt aus waren sie völlig unsinnig installiert. Sie bedeckten in gleichen Abstän- den die ganze Oberfläche dieser Kugel, die sich Kajüte nannte, aber in nichts dem glich, was man sonst unter diesem Wort ver- stand. Hineingehen konnte man nicht, es sei denn, man hätte sich an der weichen Wand hinabgleiten lassen.
       „Karg und ungemütlich.“ Olga warf ihrem Mann einen spöt- tischen Blick zu. „Erkläre mir doch bitte einmal, was das hier alles ist.“
       „Wahrhaftig“, sagte Orlow, „vom Standpunkt eines Unein- geweihten wirkt dieser Raum ziemlich wunderlich.“
       Melnikow lachte.
       „Trotzdem gibt es darin nichts Wunderliches“, sagte er. „Es ist eine schöne und bequeme Kajüte. Freilich nur beim Flug, wenn die Schwerkraft entfällt. Man hat alles, was man braucht. Verstehen Sie – in der Schwerelosigkeit gibt es weder unten noch oben. Man kann sich ganz bequem mitten in der Luft niederlassen, kann nirgendwohin fallen. Dieses Netz dort ist mein Bett, und darin werde ich bequemer als in einem Daunen- bett ruhen. Denn wieviel Federn und Daunen man auch unter sich betten mag, der Körper wird dennoch auf ihnen lasten, im Bereich der Schwerelosigkeit aber drückt der Körper auf nichts. Man kann sich auf spitze Nägel legen und wird nichts spüren. Wir könnten auch einfach in der Luft schlafen, doch wenn sich das Schiff um die eigene Achse dreht, was in regelmäßigen Zeit- abständen geschieht, damit der Schiffsrumpf von den Strahlen der Sonne gleichmäßig erwärmt wird, ließe die Zentrifugalkraft den Menschen durch die ganze Kajüte ‚wandern'. Deshalb emp- fiehlt es sich, in den Netzen zu

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