Das Erbe der Phaetonen
Sprüngen rings um das Kettenfahrzeug herum. Sie schienen es forschend zu mustern. Der Wagen, der in dem engen Raum riesengroß wirkte, flößte ihnen nicht die geringste Angst ein. Dann traten sie zur Wand und stellten sich einander gegenüber auf. Aber- mals sah es aus, als sprächen sie miteinander'. Aber die drei Männer, die ihr Gebaren beobachteten, stellten fest, daß sich ihre Lippen ebensowenig wie zuvor bewegten.
„Wenn sie Vernunft besitzen“, sagte Balandin, „und das ist offensichtlich, müssen sie auch eine Sprache entwickelt haben. Wir wissen, daß sie Lineale, Schüsseln und steinerne Schalen herstellen können. Sie verstehen Häuser zu bauen. All das zeugt von schöpferischem Denken. Das aber kann nicht ohne Gedan- kenaustausch, das heißt ohne Sprache, gedeihen. Sie reden mit- einander. Aber wie?“
Weder Belopolski noch Romanow äußerten sich dazu. Ihnen stand nicht der Sinn nach theoretischen Erörterungen.
Im Benehmen der Venusianer zeigte sich nichts Bedrohliches, aber die absolute Ungewißheit bedrückte die Menschen. Aus welchem Grund hatte sich der eine Venusianer entfernt? Wohin war er gegangen? Vielleicht wollten sie Balandin zum Ausstei- gen zwingen?
Mitleid und Barmherzigkeit sind nicht angeborene Eigen- schaften aller vernunftbegabten Geschöpfe. Sie setzten sich erst mit der Zivilisation durch. Aber auf welcher Stufe der Zivilisa- tion standen die Venusianer? Das war völlig ungewiß.
Wofür hielten die Venusianer die Menschen? Für vernünftige Wesen oder für unbekannte Tiere? Sagte ihnen ihr Äußeres und das ihres Fahrzeugs etwas? Legten sie sich Rechenschaft über das Ungewöhnliche ab, das ihnen vor Augen stand?
Weil sie die Sonne nicht sehen, können sie nicht wissen, daß es sie gibt. Weil sie die Sterne nicht sehen, wissen sie nichts vom Weltall, dachte Belopolski. Der Gedanke, daß wir Bewohner einer anderen Welt sind, wird ihnen gar nicht kommen. Was müssen sie also von unserem Besuch denken?
Zwanzig Minuten vergingen.
Der dritte Venusianer kehrte zurück. Jedenfalls glaubten die Menschen, er sei derselbe; ihrem Empfinden nach sahen die Venusianer einer wie der andere aus.
Er hoppelte auf seine beiden Artgenossen zu und schien ihnen etwas mitzuteilen. Daraufhin wandten sich alle drei an die „Schildkröten“.
Auch diesmal war kein Laut zu hören. Die Reptile jedoch erhoben sich wie auf Kommando auf die Hinterbeine, stellten sich rings um das Fahrzeug und hoben es mit ihren riesigen Pranken hoch. Scheinbar ohne sich anzustrengen, trugen sie es zum Ausgang. Die Venusianer folgten ihnen.
„Kein Zweifel“, sagte Balandin, „sie haben eine Sprache und können auch Weisungen erteilen, die von den Reptilen ver- standen werden. Bloß wie machen sie das?“
Auch diesmal bekam er keine Antwort von seinen Gefährten. Sie hörten gar nicht zu.
Man trug sie durch den unterirdischen Ausgang zurück auf die „Straße“.
Die „Schildkröten“menge, die dem Fahrzeug Stunden zuvor das Geleit gegeben hatte, war nicht mehr da. Die „Stadt“ schien verödet. Kein einziger Einwohner ließ sich blicken.
Die „Schildkröten“ gingen schnell. Nach zwei, drei Minuten stapften sie durch einen unterirdischen Gang wieder in ein Haus hinein, und die Menschen gelangten auf diese Weise in ein „Zimmer“, das zehnmal so groß wie das erste war. Es be- saß ebenfalls keine Fenster. Fußboden und Wände strahlten auch hier rosiges Licht aus.
An der Wand, die dem Eingang gegenüberlag, standen etwa zwanzig Venusianer.
Die Reptile trugen den Geländewagen in die Mitte des Raumes und stellten ihn auf den Boden. Dann entfernten sie sich. Die drei Venusianer, die den Menschen das Geleit gegeben hatten, kamen ebenfalls ins Haus. Der eine von ihnen klopfte an das Wagenfenster.
Belopolski und Romanow stiegen sofort aus. Balandin blieb.
Die Venusianer protestierten nicht dagegen. Verstanden sie etwa, daß dieser Mensch bei bestem Willen nicht aussteigen konnte? Was bisher geschehen war, sprach für eine solche Ver- mutung.
Die Venusianer sprangen ein Stück voraus, blieben dann stehen und wandten sich zu den Menschen um. Der Sinn dieser Bewegung war klar – sie wollten sich davon überzeugen, daß die Fremden ihnen folgten.
Die Kosmonauten unterdrückten mit Macht ihre Unentschlos- senheit. Es blieb ihnen ohnehin nichts anderes übrig, als das
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