Das Erbe der Phaetonen
3'.“
„Wer hat das durchgegeben?“
„Toporkow.“
„Von wo?“
„Ich weiß nicht. Der Satz wurde dreimal wiederholt. Auf meine Nachfrage kam keine Antwort.“
„Warten Sie, ich komme.“
Kamow legte den Hörer auf. Eine tiefe Falte furchte seine Stirn; die herabhängenden buschigen Augenbrauen zogen sich zusammen.
Was war geschehen? War der beobachtete Himmelskörper etwa doch Belopolskis Raumschiff? Sollten sich die Mitarbeiter, als sie die Form des „Rätsels“ bestimmten, geirrt haben? Pai- tschadse kommandierte offenbar das Raumschiff, der Funk- spruch war von ihm und nicht von Belopolski oder Melnikow unterzeichnet. Der schreckliche Verdacht, der Expeditionsleiter und sein Stellvertreter seien umgekommen, schien sich zu be- stätigen.
Eine Weile stand Kamow regungslos am Schreibtisch, und seine Hand preßte sich unwillkürlich um den Telefonhörer. Olga! Was sage ich ihr nur, nachdem ich sie gerade überzeugt habe, daß alles in Ordnung ist und Boris zurückkehren wird?
Zwei Gesichter – das eine von tiefen Falten bedeckt, das andere noch jung, mit einer Narbe auf der Stirn und ruhig blickenden graugrünen Augen – standen so deutlich vor ihm, daß es ihn kalt überlief. Sie sind umgekommen!
Alles sprach dafür. Von der Oberfläche der Venus war kein Funkverkehr möglich. Also hatte das Raumschiff den Planeten verlassen. Welchen Grund konnte es dafür geben? Nur einen: eine Tragödie hatte sich abgespielt, die beiden Raumschiffkom mandanten waren tot. Was blieb den Expeditionsmitgliedern, von denen kein einziger mit der Steuertechnik vertraut war, zu tun übrig? Nur eines: sofort zur Erde zurückzufliegen. Pai- tschadse kannte in groben Zügen die Konstruktion des Steuer- pults und war mit dem Autopiloten vertraut. Das von den Astronomen festgestellte merkwürdige Verhalten des Raum- schiffs ließ sich nur so erklären, daß sein neuer Kommandant steuern lernte.
Alles schien zusammenzupassen und den Verdacht einer Kata- strophe zu bestätigen. Alles, außer einem – der Behauptung Subbotins, der unbekannte Körper sei eine Scheibe. Doch das konnte ein Irrtum sein. Die Form eines so kleinen Körpers in einer derartigen Entfernung exakt zu bestimmen war sehr schwierig.
Der Wagen raste über die Leningrader Chaussee. Kamow, der neben dem Fahrer saß, dachte angestrengt nach.
Weshalb war der Funkspruch erst heute abgegangen und nicht schon vor drei Tagen? Die „SSSR-KS 3“ war am Achten gesich- tet worden, und heute war bereits der Elfte. Seit drei Tagen flog sie wieder, weshalb hatte die Besatzung bis jetzt ge- schwiegen?
Jetzt kamen ihm doch Zweifel an Belopolskis und Melnikows Tod, der ihm eben noch sicher erschienen war. Vielleicht waren sie nur schwerverwundet, und Paitschadse führte, ihren Rat- schlägen folgend, verschiedene Manöver aus. Nun, das würde sich bald herausstellen. Der für die Funkverbindung zum Raum- schiff vereinbarte Zeitpunkt war ein Uhr mittags, und jetzt war es bereits halb zwölf. Es galt, über etwas anderes nachzudenken. Konnte ein Unerfahrener das Raumschiff mit Hilfe des Auto- piloten wohlbehalten zur Erde zurückbringen?
Kamow rief sich die Konstruktion des Steuerpults der „SSSR- KS 3“ bis zu den kleinsten Details in die Erinnerung zurück und gelangte zu der Schlußfolgerung, daß Paitschadse es schaffen könne. Man brauchte dem Autopiloten nur die Ausgangsdaten zu geben – und das Raumschiff fand von allein den Weg zur Erde. Was die Landung, ein sehr schwieriges Manöver, betraf, beherrschte Paitschadse ausgezeichnet die Kunst des Steuerns von Düsenflugzeugen. Das Raumschiff brauchte ja nicht über dem Festland niederzugehen, sondern konnte auf einem der Ozeane landen. Das war viel leichter.
Im großen und ganzen bestand Grund zur Annahme, daß die Expedition auch ohne Belopolski und Melnikow wohlbehalten zurückkehren würde.
Wohlbehalten! Drei Opfer auf einem Flug, dachte Kamow bitter.
Bevor er losgefahren war, hatte er den Vorsitzenden der Re- gierungskommission zur Organisierung interplanetarer Flüge, ' Akademiemitglied Woloschin, angerufen. Er war daher nicht erstaunt, als er jetzt dessen Wagen vor dem Gebäude der Funkstation stehen sah.
Die vierzig Minuten, die sie noch warten mußten, kamen allen wie eine Ewigkeit vor.
Endlich war es soweit: ein Uhr!
„Wie lange braucht der Funkspruch bis hierher?“
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