Das Erbe der Phaetonen
öffnete sich noch hin und wieder. Wahrscheinlich stellte Wtorow sich vor, wie er den Raum betrat, im Sessel Platz nahm und dem Schiff Befehl gab, um neunzig Grad zu wenden. Mel- nikow staunte immer wieder über die verblüffende Empfind- lichkeit der Apparate. Eine ans Wunderbare grenzende Technik! Wie schade, wenn sie, die als Modell für künftige Konstruk- tionen dienen könnte, verlorenginge.
Wahrscheinlich ist auf der Arsena Material über gedanken- gesteuerte Apparate zu finden, dachte Melnikow. Die Phaetonen haben ganz bestimmt Aufzeichnungen darüber hinterlassen. Trotzdem, die in diesem Raumschiff konzentrierten Apparate sind ganz etwas anderes. Kann man sie doch auseinanderneh- men und genau untersuchen, feststellen, wie sie zusammengesetzt sind.
Melnikows Ungeduld wuchs ständig. Wtorow rührte sich nicht. Auch die letzte Tür öffnete sich nun nicht mehr. War er etwa eingeschlafen?
„Versuchen wir's, Boris Nikolajewitsch.“
„Ja, natürlich!“ Melnikow hätte nicht so hastig antworten sollen, doch er hielt es nicht mehr aus. „Gehen wir.“
Das Gehen fiel nicht schwer, da das Raumschiff ganz allmäh- lich seinen „Boden“ der Venus zugekehrt hatte. Die Automatik der Phaetonen arbeitete nach wie vor höchst vernünftig.
Aber auch der zweite Versuch Wtorows endete mit einem volligen Fiasko. Kaum hatte er auf dem Sessel Platz genommen, schleuderte ihn ein heftiger Stoß wieder herunter. Melnikow fiel vom Steg. Infolge der inzwischen gesteigerten Geschwindig- keit waren die Stürze diesmal bedeutend schmerzhafter. Sie trugen erhebliche Prellungen davon.
Wtorow war mit seinen Nerven am Ende. Er saß auf der durchsichtigen Wand, als schwebe er im luftleeren Raum, hatte die Hände vors Gesicht geschlagen und weinte.
Jetzt ist alles aus! dachte Melnikow. Früher als in einer hal- ben Stunde hat er sich bestimmt nicht wieder beruhigt. Und dann ist es schon zu spät.
Er versuchte nicht, den Freund zu trösten. Mochte er sich aus- weinen, wenn die Tränen die nervöse Spannung der letzten Stunden lösten. Manchem halfen Tränen.
Melnikow blickte nach unten, wie weit war es noch bis zur Venus? Eine Stunde? Aber welche Bedeutung hatte das noch? Je eher sie in die Atmosphäre gelangten, desto besser! Das Un- heil war nicht mehr abzuwenden.
Noch eine Stunde bis zum Tode!
Melnikow versetzte sich in Gedanken auf die Erde. Olga, der einzige Mensch, der ihm nahestand, tauchte wie leibhaftig vor ihm auf. Er sah ihr liebes, vertrautes Lächeln.
Verzeih mir, Olga!
Es ist unsere Pflicht!
Die Minuten verrannen.
Immer schneller raste der „Phaetone“ auf die Venus zu.
Die beiden Männer schwiegen. Der eine wußte, was sie er- wartete, der andere ahnte die Wahrheit noch nicht.
Allmählich beruhigte sich Wtorow.
„Entschuldigen Sie, Boris Nikolajewitsch“, sagte er. „Ich werde mir Mühe geben, daß das nicht noch mal passiert.“
„Es mußte so kommen, Gennadi. Die nervliche Anspannung sucht nach Entladung. Ich verstehe dich und verurteile dich nicht.“
„Ich ruhe mich jetzt ein bißchen aus und versuche es dann noch einmal. Es muß doch klappen. Schließlich bin ich mit den Türen und Wänden auch fertig geworden.“ Er blickte nach unten. „Wir haben uns der Venus schon ganz schön genähert! Wieviel Zeit haben wir noch zur Verfügung?“
„Noch genug“, erwiderte Melnikow ruhig. „Der Schein trügt. Ruh dich ein, zwei Stunden aus. Gehen wir in die benachbarte Abteilung. Und laß die Wände wieder undurchsichtig werden. Der Ausblick aufs All hat mich müde gemacht.“
Er braucht nicht zu sehen, daß die Venus schon ganz nahe ist, fügte er in Gedanken hinzu. Ein plötzlicher Tod ist nicht schreck- lich. So bleibt wenigstens einem von uns das Warten erspart.
Hinter ihnen „überzog“ sich die fünfeckige Öffnung wieder mit Metall. Das vielfarbige Pult der Phaetonen, das einzige, was sie noch retten konnte, blieb zurück.
Melnikow ermunterte Wtorow zu keinem neuen Versuch. Es war zwecklos. Der Ingenieur hatte wohl das Zeug zu einem echten Kosmonauten, aber im Augenblick... im Augenblick war er eben doch noch keiner.
Die gelbgrauen Wände trennten sie nun von der Außenwelt. Weder Sonne noch Venus war mehr zu sehen.
Melnikow lag mit geschlossenen Augen in der Hängematte.
Jetzt... in wenigen Sekunden ... Schneller doch, schneller!
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