Das Erbe der Phaetonen
Heimat noch abgewartet hatte? Vielleicht mehrere Tage oder gar eine ganze Woche?
Doch im Grunde blieb es für sie ja ganz gleich, ob eine Woche oder ein Jahr. Länger als zwölf Wochen konnten sie sowieso nicht durchhalten.
Als er am ersten Tag ihres Ceresaufenthalts von den Lebens- mitteln sprach, hatte Korzewski nicht an das Wasser gedacht. Der Mensch aber geht bekanntlich eher an Durst als an Hunger zugrunde.
Schon bei der Ausrüstung des „Phaetonen“ für den Flug zur Ceres hatte gerade das Wasser ihnen die größten Schwierigkei- ten bereitet. In der „SSSR-KS 3“ wurde es in mächtigen Behäl- tern aufbewahrt, von denen jedoch kein einziger durch die fünf- eckigen Türöffnungen des ringförmigen Raumschiffes gegangen war. So hatte man es in leere Sauerstoffflaschen füllen müssen, die nicht in genügender Anzahl zur Verfügung standen. Ihr Was- servorrat war auf knapp vier Monate berechnet gewesen, so würde er jetzt selbst bei strengster Sparsamkeit in zwölf Wochen erschöpft sein.
Von dieser Seite drohte ihnen also die größte Gefahr, und sie waren machtlos dagegen. Jene phaetonischen Automaten, die Melnikow und Wtorow viele Tage lang auf wunderbare Weise „gespeist“ und „getränkt“ hatten, funktionierten nicht mehr. Wahrscheinlich teilten sie das Schicksal der Triebwerke.
Die Luft war bis jetzt noch frisch und rein. In dieser Hinsicht hatten die Phaetonen besser vorgesorgt. Aber welche Garantie gab es, daß es bis zum Schluß so bleiben würde? Auch der Sauerstoff konnte sich erschöpfen.
„Wir dürfen uns keinen Illusionen hingeben“, sagte Belopol- ski mit unerbittlicher Logik, als seine Kameraden ihn deswegen befragten. „Können wir denn mit Sicherheit sagen, daß Hilfe innerhalb von drei Monaten hier eintrifft? Es ist doch viel eher anzunehmen, daß man auf der Erde abwarten wird, in der An- nahme, wir verweilten absichtlich länger auf der Ceres. Dafür könnte es viele Gründe geben. Erst wenn alle erdenklichen Fristen verstrichen sein werden, wenn offensichtlich geworden ist, daß wir in Not gerieten, erst dann wird ein Raumschiff ausgerüstet werden, um uns zu retten. Das dauert seine Zeit. Dabei entfernen sich Erde und Ceres immer weiter voneinander. Jeder Tag bedeutet Hunderttausende von Kilometern, Dut- zende von Stunden mehr.“
Wtorow und Korzewski hatten den Eindruck, Belopolskis Gesicht werde um so heiterer und ruhiger, je hoffnungsloser seine Schlußfolgerungen waren.
„Er möchte sterben“, sagte Wtorow einmal, als er mit Ko- rzewski allein war. „Er hat Angst vor der Rückkehr zur Erde.“
„Vielleicht“, erwiderte der Biologe. „Aber er hat auch recht.“
Es schien, sie hätten nichts mehr zu erhoffen, dennoch hofften sie weiter. Der Mensch findet immer noch einen Strohhalm, an den er sich klammert. Selbst ein zum Tode Verurteilter, der be- reits auf dem Schafott steht, hofft weiter. Der Selbsterhaltungs- trieb ist übermächtig.
Die Kosmonauten berechneten die Zeit nach irdischen Stun- den. Um die Sonnenauf- und -Untergänge der Ceres kümmerten sie sich nicht. Sie lebten ihren eigenen Rhythmus.
Am elften Tag ihrer Gefangenschaft verrieten erste An- zeichen, daß die Sauerstoffvorräte zur Neige gingen.
Wtorow stellte beim Erwachen fest, daß ihm das Atmen schwerfiel. Ihm schwindelte, und er verspürte leichte Übelkeit. Die Luft war offensichtlich mit Kohlensäure, dem Produkt der Atmung, übersättigt. Mit der automatischen Zufuhr frischer Luft klappte etwas nicht.
Wtorow erschrak nicht. Mit einer Unbewegtheit, die ihn selbst in Erstaunen setzte, konstatierte er, daß wahrscheinlich das Ende gekommen sei. Unbewußt jedoch – es war ihm während der fast zwei Monate im Raumschiff der Phaetonen schon zur Gewohn- heit geworden – gab er den gedanklichen Befehl, die Luft zu reinigen.
Die geheimnisvollen Empfänger nahmen seinen Wunsch ent- gegen und erfüllten ihn. Mit unfaßbarer Geschwindigkeit wurde die Luft erneuert. Das ging so blitzschnell, daß Belopolski und Korzewski, die kurze Zeit nach Wtorow erwachten, von allem nichts gemerkt hätten, wenn Wtorow es ihnen nicht sofort er- zählt hätte.
Dennoch war das Ganze ein alarmierendes Zeichen.
Die für die Luft verantwortlichen Automaten konnten nicht
ohne Energie arbeiten. Ihre Energie aber ging zur Neige. Sie funktionierten nicht mehr ununterbrochen. Während die Men- schen schliefen,
Weitere Kostenlose Bücher