Das Erbe der Phaetonen
verständigen Wesen die Systeme des Qua- drats, des Hexagons und des Rhombus unbekannt waren. Kann- ten sie etwa nur das kubische System? Wir haben Oktaeder, Dodekaeder, Tetraeder und Kuben gesehen. Keine einzige Pyramide, kein einziges Prisma, kein einziges Brachidoma! Ist das Zufall? Ich glaube nicht. Darin liegt ein bestimmter Sinn. Das Rätsel der Granitfiguren muß von uns gelöst werden. Dann werden wir auch erfahren, woher das Raumschiff gekommen ist. Damit möchte ich Boris Nikolajewitschs Frage beantworten“, schloß Belopolski.
Die Beratung endete gegen drei Uhr nachmittags. Die Expe- ditionsmitglieder zogen sich in ihre Kajüten zurück.
Am nächsten Tag nahm Toporkow ein langes Radiogramm auf, das die Reaktion der Wissenschaftler der Erde auf Belo- polskis Hypothese darstellte. Die meisten erklärten sich mit sei- nen Folgerungen einverstanden.
Die Schwester der Erde
Durchschnittlich einhundertundacht Millionen Kilometer von der Sonne entfernt, das sind zweiundvierzig Millionen Kilo- meter weniger als die Erde, zieht majestätisch der zweite Planet des Sonnensystems seine Bahn. Von unseren Vorfahren wurde er nach der Göttin der Schönheit und der Liebe Venus genannt.
In Ausdehnung und Masse der Erde fast gleich und ihr am nächsten gelegen, trägt dieser Planet seinen poetischen Namen mit Recht. Keiner funkelt schöner am irdischen Himmel, wenn ihn der Morgen rosig überhaucht, als er.
Die Städter sehen die Venus allerdings meist des Abends, und da wirkt sie nicht ganz so schön. Bemerkenswert erscheint, daß der Planet in einigen arabischen Ländern den ganz anderen Namen Luzifer erhielt. Was die Araber bewog, die strahlende Schöne so zu nennen, ist schwer zu verstehen.
Den Astronomen gab die Venus wohl ein noch größeres Rätsel auf als der Mars. Ihre Oberfläche konnte von der Erde aus nicht beobachtet und untersucht werden, weil Wolken sie ständig ver- hüllten. Die einen Wissenschaftler nahmen daher an, daß Welt- raumfahrer auf der Venus weder Meere noch Wälder, sondern nur von vulkanischem Staub bedeckte Steinwüsten vorfinden wür- den; andere vermuteten dort ausgedehnte Moore. Die Anhänger Gawriil Adrian Tichows schließlich, der die Idee des Vorhan- denseins von Leben im Weltall verfocht, behaupteten: Auf der Venus gibt es Leben, wenn natürlich auch nicht in derselben Form wie auf der Erde. Sie erklärten, die Forscher würden dort keine grünen Wälder erblicken; die Pflanzenwelt auf der Schwe- ster der Erde müßte infolge des heißen Klimas vielmehr orange- farben und rot sein, sind doch auch auf der Erde, in den Tropen, viele Pflanzen rot. Und nicht nur in den Tropen. An den heißen Quellen Kamtschatkas, wo die Temperatur achtzig Grad er- reicht, wuchern purpurrote und grellrote Algen, und der Rand dieser Quellen ist mit orangefarbenen und gelben Moosen be- deckt.
Das Leben paßt sich allen Umweltbedingungen an. Es be- hauptet sich ebenso im hypertropischen Klima der Venus wie im äußerst rauhen Klima des Mars.
Mit Hilfe der Radioastronomie war festgestellt worden, daß die Temperatur der Oberfläche des Planeten nahezu hundert Grad betrage, aber das mußte geprüft werden. Es galt auch, die Dauer eines Tages und vieles andere genauer festzustellen.
Der Umfang der bevorstehenden Arbeit war groß, das Raum- schiff aber durfte sich laut Plan nicht länger als achtundvierzig Tage – natürlich Erdentage – auf der Venus aufhalten.
All das hatte Belopolski auf einer Versammlung der Schiffs- besatzung dargelegt.
Nun näherte sich „SSSR-KS 3“ seinem Ziel. Bis zur Bahn der Venus waren noch ungefähr dreiundeinehalbe Million Kilometer zurückzulegen. Das kam etwas mehr als vierundzwanzig Fahr- stunden gleich.
Das Raumschiff flog bereits nicht mehr geradeaus, mit ge- zogenen Gasrudern beschrieb es im Weltenraum eine gigantische Kurve und bog in die Bahn des Planeten ein. Die Triebwerke waren etwas gedrosselt. Dadurch entstand sogleich wieder eine schwache Schwerkraft. Nichts konnte mehr frei in der Luft schweben, die Backbordseite zog alle Gegenstände innerhalb des Schiffes gleichsam an sich.
Belopolski und Melnikow wachten abwechselnd am Steuer- pult. Die automatischen Steuervorrichtungen führten das Schiff auf den vorgeschriebenen Kurs, aber trotzdem mußte alles über- prüft und stündlich der Standort ermittelt werden.
Die übrigen Mitglieder der Besatzung legten in den
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