Das Erbe der Phaetonen
Fund würde auf der Erde eine Sensation auslösen. Doch da die Verbindung abgerissen war, konnte nie- mand etwas davon erfahren, bevor das Schiff zurückkehrte.
Saizew maß sorgsam die Abstände zwischen den angezeich- neten Maßstrichen. Sie waren einunddreißig und ein viertel Millimeter voneinander entfernt.
Belopolski hatte recht – ein solches Längenmaß gab es auf der Erde nicht. War dies nun die grundlegende Maßeinheit, die bei den Herstellern des Lineals galt, oder war es nur das Teil einer größeren? Niemand wußte es zu sagen.
Balandin und Andrejew wurden beauftragt, den Fund zu untersuchen. Sie machten sich sogleich an die Arbeit.
„Versuchen Sie festzustellen, wie lange das Lineal im Wasser gelegen hat“, bat Belopolski.
Die Sternfahrer beschlossen, die unterbrochene Erkundung fortzusetzen. An Stelle Balandins wurde Toporkow der Gruppe zugeteilt.
Da das Steilufer so hoch und offenbar in seiner ganzen Aus- dehnung unzugänglich war, kamen Belopolski und Melnikow überein, das Raumschiff dicht ans Ufer zu bugsieren. Das würde keine Schwierigkeiten bereiten; das Wasser war tief genug, und die Kraft der Elektromotoren von zwei Booten reichte aus, so- gar solch ein gewaltiges Schiff ins Schlepp zu nehmen.
Romanow und Knjasew stiegen durch verschiedene Luft- schleusen aus und gingen in die Boote. Der eine fuhr zum Bug des Schiffes, der andere zum Heck. Sie befestigten an eigens zu diesem Zweck, angebrachten starken Ringen Schlepptrossen und ließen auf ein Kommando vom Steuerpult her ihre Motoren gleichzeitig mit voller Kraft laufen.
Der Riesenwal bewegte sich langsam von der Stelle und schwamm majestätisch auf das nahe Ufer zu. Als er genug Fahrt machte, wurden die Trossen ausgehakt, und die Boote entfern- ten sich ein gutes Stück. Das Schiff fuhr bedächtig. Aber es war so massig, daß es mit Wucht gegen den Steilhang stieß. Zwei Wellen rollten durch die Bucht, und am gegenüberliegenden Ufer rauschte schäumende Brandung auf.
Die Bordmechaniker, Saizew und Knjasew, ergriffen die gün- stige Gelegenheit. Als sie den mit einem Geländer versehenen Landesteg herangeschleppt hatten, schlüpften sie mit der Expe- ditionsgruppe zusammen in die Ausgangsschleuse, um den Steg auch selber auszubringen. Wenigstens für kurze Zeit wollten sie gleich den anderen ihren Fuß auf den Boden der Venus setzen.
Als alle ihre Kombinationen angezogen und den Helm auf- gesetzt hatten, stellte Belopolski die traditionelle Frage, ob die Luftzufuhr funktioniere.
Die Tür öffnete sich.
Sträucher und Bäume waren jetzt so nahe, daß jeder sogleich Einzelheiten entdeckte, die ihm vorher nicht aufgefallen waren. Während die Mechaniker mit Wtorows Hilfe den Landesteg auszubringen versuchten, musterten Belopolski, Korzewski und Toporkow forschend die Umgebung.
Die ursprüngliche Vermutung, daß der Wald der Venus schwer zugänglich sei, erwies sich als richtig. Wie eine bequeme Allee erschienen die tropischen Urwälder der Erde im Vergleich mit dem chaotischen Dickicht aus Büschen, Lianen und Bäumen, zwischen denen sich am Boden ein dicker Teppich blutroter bandähnlicher Gewächse mit meterlangen, sehr scharfen Dornen breitete.
Überall drängten sich durch diesen Teppich sonderbare flei- schige Röhren, an denen bunte Fransen hingen.
Genau gegenüber der Ausgangsschleuse stand ein großer Busch. Es war sogleich klar, daß dieses gelbe Gewächs nichts mit den Pflanzen der Erde gemein hatte. Für sein Äußeres paßte am besten der Name, den Melnikow ihm gegeben hatte: Es war ein gigantischer Schwamm, und er hatte wie die Schwämme auf der Erde einen porösen Leib mit zahlreichen kleinen Öffnungen, zwischen denen nach allen Seiten Nadeln abstanden.
Die Baumstämme hatten keine Rinde. Glatt und zartrosa getönt, schienen sie fast durchsichtig zu sein. Wie auf einem Aquarell ging das Rosa der Stämme unmerklich in das Rot und Orange der Zweige über. Die grellroten biegsamen Lianen mit ihren schwarzen Ringen wirkten aus der Nähe nicht mehr glatt. Ihre porigen Körper waren mit zahllosen Öffnungen versehen.
Plötzlich umklammerte Korzewski den Arm Belopolskis.
„Sehen Sie – dort!“ Er wies auf den Stamm des nächsten Baumes.
Die grellrote Liane, die die unteren Zweige des Riesen fest umschlungen hielt, bewegte sich kaum merklich. Es sah aus, als zöge sich der lange, elastische Leib des
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