Das Erbe der Phaetonen
den Fußboden“, ordnete Korzewski an.
Die beiden Ärzte beugten sich über den Verunglückten. Nach einer Minute schlug Wtorow die Augen wieder auf, und Andre- jew ließ ihn ins Lazarett bringen.
„Halb so schlimm“, antwortete er auf Belopolskis Frage, „er wird bald wieder ganz gesund sein.“
Romanow und Knjasew als die Stärksten trugen die Trage. Durch das Raumschiff zu laufen, noch dazu mit einer Last, war sehr schwierig. Die „Klinik“, wie man im Scherz das Kranken- zimmer nannte, befand sich zum Glück im gleichen Korridor.
„Die Venus beschenkt uns großzügig mit Überraschungen“, sagte Saizew. „Was wird nun weiter geschehen?“
„Was hat die Untersuchung des Lineals ergeben, Sinowi Sera- pionowitsch?“ fragte Belopolski den emsigen Balandin.
„Es besteht zweifellos aus Holz“, antwortete der Professor. „Die Art des Holzes können wir nicht feststellen.“
„Kein Wunder!“
„Aber wir können mit Sicherheit sagen, daß es sehr lange im Wasser gelegen hat. Meiner Meinung nach mindestens ein Jahr.“
„Mindestens ein Jahr“, wiederholte Belopolski sinnend. „So! Das Lineal ist also vor einem Jahr hier ins Wasser gefallen?“
„Es ist anzunehmen.“
„Dann brauchen wir nicht nach seinen Besitzern zu suchen. Innerhalb eines solch langen Zeitraumes kann es von der ande- ren Halbkugel des Planeten hierhergebracht worden sein.“
„Und wenn Astronauten es verloren haben, so hat ihr Schiff die Venus längst wieder verlassen“, setzte Melnikow hinzu.
„Astronauten?“
Belopolski zuckte die Achseln. Damit gab er zu verstehen, daß er nicht sonderlich an einen Besuch der Venus durch Be- wohner einer anderen Welt glaubte.
„Ist das Periskop noch ausgefahren?“ fragte er.
„Natürlich nicht.“
„Wir werden es noch einmal ausfahren. Kommen Sie mit ans Pult, Sinowi Serapionowitsch!“
Der Ballon mit der Fernsehkamera stieg abermals über dem Raumschiff auf. Der Bildschirm zeigte den Ozean. Die Kamera wendete langsam, und die Wasserebene wurde von dem orange- roten Wald abgelöst.
„Fahren Sie das Periskop noch höher aus!“
Melnikow betätigte den entsprechenden Mechanismus. Es war zu merken, daß der Ballon stark nach Osten abgetrieben wurde. Trotzdem verbreiterte sich der Horizont weiter.
„Ich habe es ja gewußt!“ sagte Belopolski. „Sehen Sie!“
Der Sucher des Periskops hatte sich in diesem Augenblick nach Norden gewandt, und fast gleichzeitig bemerkten Balan- din und Melnikow in der Ferne einen dunklen Streifen, Wasser! Ebensolche Streifen zeigten sich im Westen und Süden.
„Wir sind auf einer Insel“, sagte Belopolski. „Als Stanislaw Kasimirowitsch sagte, die Bäume am Ufer seien in Wirklichkeit Korallen, glaubte ich gleich, daß wir nicht festes Land, sondern eine Koralleninsel vor uns haben, die nur tagsüber bei Ebbe an
die Oberfläche tritt. Bei Nacht ist dies hier Meeresgrund. So leuchtet auch ein, warum hier keine richtigen Pflanzen wachsen, wie sie auf der Venus zu finden sein müßten, sondern nur Meeresorganismen. Wir müssen unbedingt festes Land finden und dorthin fliegen.“
„Die Insel ist gar nicht so groß“, bemerkte Balandin. „Es ist sogar verwunderlich, daß wir nicht vor unserer Landung be- merkt haben, daß dies eine Insel ist.“
„Es war damals bedeutend dunkler als jetzt“, antwortete Melnikow. „Und der Horizont war mit Gewitterfronten ver- hangen.“
„Aber trotzdem ist die Insel viel ausgedehnter als die größ- ten Korallenbauwerke auf der Erde“, fuhr der Professor fort. „Allerdings sind auch die Korallen selber, sofern es welche sind, unvergleichlich viel größer als die Korallen der Erde. Auf jeden Fall müssen wir die Insel, ehe wir sie verlassen, gründ- lich studieren.“
„Unbedingt!“ stimmte Belopolski zu. „Schon deswegen, weil wir diese Gegend nicht so bald verlassen werden. Das Schiff kann nirgends zum Starten gewendet werden. Es wird bis zum Abend hier bleiben, das heißt – anderthalb Wochen.“
Luftaufklärung
So lag also die „SSSR-KS 3“ am Ufer einer Koralleninsel, die bei Ebbe aus den Fluten emportauchte.
Auf der Erde, die anderthalbmal so weit von der Sonne ent- fernt ist wie die Venus, erreicht die Flutwelle an einigen Stellen, zum Beispiel in der Fundybucht in Nordamerika, zwischen Neu- Schottland und
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