Das Erbe der Phaetonen
aufhalten.“
„Sie haben recht, Konstantin Wassiljewitsch“, antwortete der Professor beschämt. „Ich war unbesonnen, entschuldigen Sie. Geben Sie volle Fahrt voraus.“
„Dazu ist es noch zu früh.“
Kaum hatte das Unterseeboot die Südspitze der Korallen- insel umschifft, als auf dem Bildschirm des Lokators ein Nebel streif auftauchte. Saizew legte das Ruder herum. Der Bug schwenkte mehr nach Westen. Der Streif auf dem Bildschirm wurde schmaler und durchsichtiger. Als er sich in einen dünnen Strich verwandelt hatte, der grünlich fluoreszierte, wurden die beiden Motoren auf äußerste Fahrt gebracht. Wie ein Pfeil schoß das Boot seinem Ziel entgegen.
Auf der Erde leitet das Wasser die Funksignale in der Regel schlechter als die Luft. Auf der Venus verhält es sich anders. Die Ionisation im Bereich der Gewitterfronten, die jeden Funkver- kehr unterbricht, wirkt sich auf die Leitfähigkeit des Ozeans nicht aus. Daher hatte Melnikow auf Toporkows Anweisung die Antenne seines Flugzeuges ins Wasser getaucht, und die Orientierungssignale waren, wenn auch abgeschwächt, ständig auf dem Bildschirm des Bootes zu sehen. Das gleichzeitig aus- gestrahlte akustische Orientierungssignal war dagegen kaum zu hören und verstummte zeitweilig vollends.
Der Bootskörper erwärmte sich allmählich durch die hohe Geschwindigkeit, aber Saizew fuhr deswegen nicht langsamer. Die Lokationsgeräte teilten beruhigend mit, daß keine Hinder- nisse voraus waren.
Das Fahrtempo machte es unmöglich, backbord oder steuer- bord noch etwas zu erkennen. Professor Balandin war eigentlich froh darüber. Es fiel ihm schwer, achtlos an der Meereswelt der Venus vorüberzufahren, in die der Mensch zum erstenmal ein- gedrungen war. Wenn er nach vorn spähte, sah er, wie sich weit voraus am Ende des Lichtkorridors, den der Scheinwerfer er- zeugte, manchmal etwas bewegte. Gestalten ließen sich nicht erkennen, aber es waren bestimmt Lebewesen; sie verschwanden augenblicklich wieder in der unbeleuchteten tiefen See. Durch die Bordwände spürte man geradezu, daß sich in dem finsteren Wasser etwas regte. Verschwommene Schatten kamen so nahe heran, daß ihre Umrisse beinahe zu erkennen waren. Verschie- denfarbige Punkte flammten auf und erloschen wieder.
Mühsam unterdrückte Balandin den Wunsch, alle Scheinwer- fer einzuschalten und das Wasser ringsum zu beleuchten. Er durfte der Versuchung nicht nachgeben und sich von der Er- füllung des vordringlichen Auftrages nicht ablenken lassen. Nach der Rettung der verunglückten Genossen würde Zeit ge- nug sein, alles zu beobachten. Jetzt gab es nur eins: vorwärts! Nichts als vorwärts!
An der mehrmaligen Unterbrechung der Funkverbindung mit dem Raumschiff merkten die U-Boot-Fahrer, daß ein Gewitter nach dem anderen über dem Ozean tobte. Sie beeinträchtigten aber nicht die Stille im tiefen Wasser.
Die erste Stunde war vergangen. Fünfzig Kilometer hatte das Boot bereits zurückgelegt. Die grüne Linie auf dem Bildschirm wurde allmählich immer klarer. Das Millimeterband des Radar- projektors zeigte an, daß seine Suchstrahlen noch nirgends auf Land gestoßen waren. Das Boot raste mit unverminderter Ge- schwindigkeit weiter.
Gespannt beobachteten Balandin und Saizew die vom Schein- werfer beleuchtete Wasserwüste. Es war nicht ausgeschlossen, daß sie auf Hindernisse stießen, vor denen der Lokator sie nicht warnte. Beispielsweise auf Schlinggewächse, die für die Funk- wellen sozusagen durchsichtig waren und sie deshalb nicht zu- rückwarfen. Wer konnte wissen, welche Überraschungen der fremde Planet dem Menschen noch zu bieten hatte?
Balandins Gedanken kamen nicht los von den Rätseln der Venus. Er mußte darüber sprechen.
„Die Venus“, sagte er, „hat längst das Stadium der ursprüng- lichen Entstehung des Lebens durchlaufen. Ebenso wie auf der Erde hat sich dabei das Leben auch hier im Meer entwickelt. Die Teilung der Organismen in Pflanzen- und Tierreich ist ab- geschlossen. Wir dürfen mit Recht annehmen, daß die Pflanzen bereits an Land gestiegen sind und sich den widrigen klima- tischen Bedingungen angepaßt haben. Aber haben die Tiere ein Gleiches getan? Oder leben sie noch im Wasser? In Anbetracht der Länge von Tag und Nacht sowie der hohen Tagestempera- tur auf dem Land neige ich zu der Auffassung, daß die Tiere im Ozean geblieben sind, wo sie gleichmäßigere Lebensbedin- gungen finden. Aber das
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