Das Erbe der Pilgerin
haben immer noch Sophia. Zumindest scheint Dietmar das anzunehmen. Droh ihm, dass sie die Erste sein wird, die hier hungers stirbt.«
»Aber das glaubt er doch nie!«, wandte Roland ein. »Sie ist unsere Tochter, Luitgart. Wir würden ihr nie etwas antun.«
»Wie auch immer, Roland, wir müssen einen Zweikampf erzwingen. Das ist unsere einzige Chance. Dietmar muss sich auf einen Entscheidungskampf mit dir einlassen. Wenn du ihn tötest, werden die anderen abziehen.« Luitgarts schöne grüne Augen blitzten hasserfüllt.
»Florís de Trillon wird ihn rächen wollen«, gab Roland zurück.
Luitgart zuckte die Schultern. »Dann schlägst du dich eben auch noch mit Florís de Trillon! Du warst immer ein starker Kämpfer, du kannst beide schlagen und den Falkenberger noch dazu. Wenn es überhaupt nötig ist. Aber auch die zwei geben schnell auf, wenn sie die Burg erst mal allein belagern. Herrgott, Roland, in dem Moment, da der Erbe tot ist und keine Beute und kein Lehen mehr winken, sind die Ritter weg! Und mit zwei Gegnern werden unsere zwanzig Leute doch wohl fertig!«
Am nächsten Tag kehrten zwei junge Ritter des Belagerungstrupps nicht mehr von einem Erkundungsritt zurück. Als auch noch die ebenso jungen Streiter verschwanden, die Dietmar ohne große Sorge hinter ihnen hergeschickt hatte, planten Rüdiger und Hansi, sich auf die Suche zu begeben.
»Ich glaub, die sind jagen gegangen und haben die Zeit vergessen«, meinte Rüdiger zu seinem früheren Knappen.
Die regelmäßigen Patrouillenritte galten als völlig ungefährlich, schon seit Wochen hatte sich kein Lauensteiner Ritter mehr außerhalb der Mauern gezeigt.
»Alle vier?«, fragte Hansi. »Ich weiß nicht … Ich denk, es wär besser, Rüstungen anzulegen, wenn wir sehen wollen, was da passiert ist.«
Die beiden ritten also voll gerüstet aus – und vielleicht rettete es ihnen das Leben. Die Männer, die den ersten Erkundungstrupp niedergemacht hatten, waren jedenfalls kaltblütig genug gewesen, auch noch den zweiten zu ermorden. Rüdiger und Hansi fanden alle vier Leichen an einem Ort.
»Die ersten sind in einen Hinterhalt geraten«, rekonstruierte Rüdiger den Vorfall später für die erschrockenen Ritter in der Trutzburg. »Da kam jemand aus dem Wald, als sie gerade vom freien Feld aus hineinritten – die ganz alte List. Unsere Leute mussten aus der strahlend hellen Sonne in den Schatten, während sie sich noch orientierten, hatten die Gegner sie schon durchbohrt. Den zweiten Trupp haben sie dann wohl niedergemacht, als die Männer die Toten untersuchten. Wozu sie fahrlässig abgestiegen sein müssen, das waren ja ganz junge Ritter, völlig unerfahren! Der eine hatte nicht mal Zeit, sein Schwert zu ziehen.« Das Schwert des Toten steckte noch in der Scheide.
»Rolands Leute?«, fragte Dietmar heiser, als könnte er sich das nicht denken.
»Also, Wegelagerer halte ich hier für unwahrscheinlich. So nah an Ortschaft, Burg und Trutzburg – hier zieht nicht mal ein Händler durch. Normale Diebe sind doch auf Kaufleute aus, bei einem Überfall auf Ritter ist das Risiko groß und die Beute klein. Nein, nein, da haben sich bei Nacht und Nebel ein paar aus der Burg gestohlen und dort verschanzt.«
Ein junger Ritter, der auf den Zinnen der Trutzburg Nachtwache gehalten hatte, nickte. »Ja, Herr. Vier. Aber Ihr hattet doch Anweisung gegeben, sie durchzulassen. In den letzten Wochen sind schließlich schon fünf geflohen und nie zurückgekehrt.«
Rüdiger knirschte mit den Zähnen. »Geschickter Schachzug!«, brummte er. »Roland wusste genau, dass wir keinen aufhalten, der aus der Burg rauswill. Es schwächt ihn doch, wenn die Ritter gehen. Also hat er jetzt einen Trupp herausgeschickt, um unseren Rittern aufzulauern – und wahrscheinlich hat er da noch weitreichendere Pläne. Die Kerle sitzen doch immer noch irgendwo in den Wäldern und können jederzeit etwas anstellen!«
»Finden wir die Männer?«, fragte Dietmar.
Seine Ritter nickten zuversichtlich. Nach der langen Belagerungszeit kannten sie die Wälder rund um Lauenstein wie ihre Westentasche. Schließlich kontrollierten sie nicht nur die Zufahrtswege zur Burg, sondern jagten auch im Lauensteiner Revier und begleiteten Gerlin und Dietmar durch die Dörfer.
»Da kann sich keiner verstecken!«, behauptete Herr Conrad.
Nur Herr Jean, vormals der Brandner-Hansi, widersprach. »Mein Vater, Herr Conrad, hat sich hier zehn Jahre lang versteckt. Mit meiner Mutter und der ganzen Räuberbande.
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