Das Erbe der Pilgerin
einverstanden. Wenn Eure Hände unversehrt bleiben, gehört Euch die Burg.«
Jetzt lachten wirklich alle Ritter.
»Ich denke natürlich an einen Zweikampf«, sagte Roland, ohne auf den Spott einzugehen. »Ich kämpfe gegen den angeblichen Erben. Auf Leben und Tod. Dann hat Gott entschieden.«
»Dann hat das Schwert entschieden«, gab Florís zurück. »Nein, Herr Roland, diese Form der Gottesprobe erkennt auch die Kirche nicht mehr an, und ein Heer von Rittern erst recht nicht. Der Kampf zwischen David und Goliath ist lange her – und ich bin überzeugt, wenn Dietmar eine Steinschleuder einsetzt, beklagt Ihr Euch anschließend über unritterliches Verhalten. Wenn es einen Zweikampf gibt, dann zwischen Rittern, die gleich erfahren, gleich stark und gleich schwer sind. Kämpft gegen mich, Herr Roland!« Florís legte die Hand auf sein Schwert.
»Meine Forderung steht!«, sagte Roland würdevoll. »Und sie richtet sich nicht gegen Euch. Wir waren niemals Feinde, Herr Florís.«
Florís schnaubte. »Da erinnere ich mich aber an anderes. Zum Beispiel an die Schwertwunde, die ich empfing, als ich versuchte, den wahren Erben vor Euren Schergen zu retten. Aber gut, ich trete Euch auch gern als Vertreter der Herrin Gerlin gegenüber, deren Ehre Ihr eben noch beleidigt habt. Überlegt es Euch, Herr Roland. Ein Zweikampf mit mir, oder wir gestalten das Gottesurteil einfach etwas anders. Zum Beispiel mittels offener Feldschlacht: Ihr und Eure Ritterschaft gegen Herrn Dietmar und seine Ritterschaft. Wenn Euch der Schutz des Allmächtigen wirklich so sicher ist …«
Roland antwortete nicht. Er wendete nur sein Pferd und galoppierte langsam zurück zu seiner Burg.
Rüdiger wusste, dass Hansi jetzt einen schweren Kampf mit sich ausfocht. Er hätte den Ritter mit einem Schuss seines Langbogens zuverlässig töten können. Aber Herr Jean de Bouvines hielt sich zurück.
Gerlin de Loches verlor dagegen sehr schnell die Contenance, als sie von Rolands Vorschlag und seinen Schmähungen ihr gegenüber hörte. Sie hatte von ihrem Ausguck her nicht alles mitbekommen, aber die Auseinandersetzung zwischen Dietmar und Florís drang zu ihr, als sie die Treppen zum Hof der Trutzburg hinuntereilte.
»Ich kann meine Schlachten selbst schlagen, Pflegevater!«, erregte sich Dietmar über die Bevormundung.
»Sicher«, höhnte Florís. »Deshalb bist du Ulrich von Steinbach neulich auch nur wirklich knapp unterlegen. Leider bedeutet knapp hier: tot. Dies ist kein Turnier, in dem ein jüngerer, leichterer Ritter einem alten, gewichtigeren ehrenvoll unterliegt – oder vielleicht auch mal siegt, weil seine Technik überragend ist. Dietmar, du bist ein hervorragender Kämpfer, und du wärest auch nicht gänzlich chancenlos. Aber das Risiko wäre gewaltig. Und es besteht kein Grund, es einzugehen. Wir können Roland genauso gut aushungern.«
»Und warum willst du dann mit ihm kämpfen?«, fragte Dietmar höhnisch. »Du kannst dich doch hinter den Schranken dieser Burg verkriechen.«
Gerlin nickte zustimmend. »Da hat er Recht«, bemerkte sie. »Keiner von euch sollte kämpfen. Wartet ab, bis sich die Sache von selbst erledigt.«
»Aber das ist nicht ritterlich!« Florís und Dietmar waren sich plötzlich wieder einig.
Gerlin seufzte. »Aber Rolands Überfälle auf die Dörfer sind ritterlich, ja? Hört doch auf mit dem Unsinn! Wenn er sich nicht aushungern lassen will, kann er morgen einen Ausfall machen und ehrenvoll unterliegen. Wie ich Dietmar kenne, gibt er ihm noch freies Geleit.«
Dietmar errötete. Schließlich hatte er Roland genau das versprochen.
»Ich kann nicht zulassen, dass Sophia hungert!«, sagte er dann stur. »Was soll sie überhaupt von mir denken, wenn ich die Burg belaure wie die Katze das Mauseloch und nicht wage, mich mit ihrem Vater zu messen?«
»Du kannst sagen, du willst nicht riskieren, dass das Blut ihres Vaters an deinen Händen klebt.«
Gerlin war in höfischer Rede hervorragend geschult. Sie hatte ihre Erziehung am Hof der Eleonore von Aquitanien genossen, wohl der größten Diplomatin und Strategin ihrer Zeit.
Rüdiger grinste.
»Ich habe jedenfalls noch ein gewaltiges Hühnchen mit Roland zu rupfen«, beharrte auch Florís auf seiner Forderung. »Auch ich habe ihm meinen Fehdebrief gesandt. Ich habe das gleiche Recht auf Genugtuung wie Dietmar – und viel bessere Chancen im Kampf.«
»Ihr seid einfach zu dumm!«, sagte Gerlin mit Tränen in den Augen. »Dies alles hier steht vor einem glimpflichen
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