Das Erbe der Pilgerin
Wenn die Kerle ein bisschen geschickt sind …«
Tatsächlich erwiesen sich zwei der Männer als nicht sehr geschickt. Sie liefen nacheinander gleich zwei Suchtrupps in die Arme, wobei es ihnen allerdings gelang, die Männer des ersten zu töten. Herr Waltram von Fürcht und Herr Wolfram von Grennberg waren keine Wegelagerer, aber äußerst starke Kämpfer. Erst Conrad von Neuenwalde und seinen Männern gelang es, sie in hartem Kampf zu besiegen und zu töten. Kein Turnierkampf diesmal, bei dem alle sich an die Regeln hielten, sondern eine blutige Schlacht. Drei von Conrads Männern wurden verwundet, einer so schwer, dass er nie wieder würde kämpfen können.
Die anderen beiden Ritter blieben vorerst verschwunden. Sie konzentrierten sich wohl weniger auf den Kampf gegen Dietmars Mannen, sondern gingen die Fehde so an, wie solche Auseinandersetzungen traditionell geführt wurden: Die Männer unternahmen Überfälle auf Außenhöfe nahe des Dorfes Lauenstein. In den ersten Tagen beschränkten sie sich darauf, Vieh und Vorräte mitzunehmen. Aber dann drangen sie in die Häuser ein, töteten die Männer und vergewaltigten die Frauen.
Natürlich erhob der Dorfvorsteher Klage bei Dietmar.
»Das ist die alte Taktik«, sagte Gerlin verbittert. »Erinnert ihr euch? Das hat Roland schon mal so ähnlich gemacht: Überfälle auf die Untertanen des Bischofs von Bamberg, die er dann Lauenstein in die Schuhe schieben wollte.«
Florís nickte. »Und diesmal geht es darum, die Leute gegen Dietmar aufzubringen. Er sollte seine Fronbauern schützen, die sehen das als ihr Recht an.«
»Aber ich kann doch nicht neben jeden Hof zwei Ritter stellen!«, meinte Dietmar verzweifelt.
Gerlin hob resignierend die Schultern. »Wir standen damals vor dem gleichen Problem. Es ist völlig unmöglich, die ganze Grafschaft ständig zu überwachen. Wie Hansi … Herr Jean schon sagt: Ein geschickter Wegelagerer versteckt sich hier jahrelang.«
»Wobei es die Leute bei Wegelagerern einsehen«, meinte Florís. »Die jagen sie ja auch selbst und sehen dabei, wie schwierig es ist. Aber wenn es Ritter sind … Sie scheinen zu meinen, dass der Adel seinesgleichen wittert wie ein Jagdhund die Beute.«
Rüdiger lachte bitter. »Oder eher, dass der Adel sich gegenseitig schützt. Ist doch oft genug so, dass eine Krähe der anderen kein Auge aushackt. Leute wie der Brandner werden irgendwann gefasst und gehenkt. Aber habt ihr schon mal einen Raubritter hängen sehen?«
Dietmar seufzte. »Also gibt es gar nichts, was wir tun können? Außer auf ein Wunder hoffen, dass irgendjemand von uns die Kerle in den nächsten Tagen erwischt?«
Florís nickte grimmig. »Zumindest vorläufig«, meinte er dann. »Auf Dauer müssen wir herausfinden, was Roland wirklich will. Seine neue Taktik ist zwar wirkungsvoller als die alte, aber bis sich das Volk wirklich gegen Dietmar erhebt, vergehen Monate, wenn nicht Jahre. Was auch nicht heißt, dass es dann mit fliegenden Fahnen zu Roland überläuft, die Leute sind doch nicht dumm. Aber wie auch immer, Roland hat diese Zeit nicht. Seine Vorräte müssen zu Ende gehen, ihr habt doch die Ritter gesehen, die Herr Conrad getötet hat. Sie waren längst nicht mehr so feist und wohlgenährt wir ehedem.«
»Du meinst, das ist ein … letztes Aufbegehren?«, fragte Gerlin hoffnungsvoll.
Florís hob die Schultern. »Ich schätze, Roland hat einen Plan«, meinte er dann. »Vielleicht ist es sein letzter. Aber vom Aufgeben ist der noch weit entfernt!«
Roland ließ seine Gegner in den nächsten Wochen weiter bluten. Natürlich waren all seine Überfälle nicht mehr als Nadelstiche für Dietmars kleine Armee, aber die Belagerer betrauerten die Männer, die bei den Ausfällen der Lauensteiner Ritter fielen. Was dies anging, bewahrheiteten sich Rüdigers düstere Prognosen vom Beginn der Kämpfe: Die Zurückhaltung von Rolands Rittern hatte die Belagerer dazu verführt, sie zu unterschätzen. Sehr bald stellten Dietmar, Florís, Rüdiger und Conrad die Patrouillen nicht mehr einfach danach zusammen, wer gerade Dienst hatte, sondern nach einem ausgeklügelten System, um junge, unerfahrene Kämpfer nicht allein in die Hände von Rolands Schlägertrupps geraten zu lassen. Seitdem hatten sie weniger Tote, aber einige Verletzte unter ihren besten Männern zu beklagen.
»Das geht Roland nicht anders!«, erklärte Herr Conrad und ließ sich von Gerlin eine Wunde am Schwertarm verbinden. Für eine oder zwei Wochen fiel er damit aus.
Weitere Kostenlose Bücher