Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
sein.«
    »Eben, sie kann in Gefahr sein! Ich muss sie holen!«
    Dietmar nahm sich von dem stark verdünnten Wein, den die Frauen für Gerlin gebracht hatten. Gerlin selbst hatte nur daran genippt, so wie sie nichts von dem Brei mit Honigmilch hatte essen können, der ebenfalls zum Frühstück bereitstand.
    »Ich glaube nicht, dass sie in Gefahr ist«, mischte sie sich jetzt in die hitzige Auseinandersetzung. Sie hatte in ihrer Trauer keinen Sinn für Dietmars Liebelei, aber anscheinend kam sie nicht darum herum. Natürlich war es völlig unmöglich, dass ihr Sohn sein Lehen jetzt gleich wieder verließ, um sich in ein fragwürdiges Abenteuer zu stürzen. »Du sagtest doch, Miriam und Abram seien in Toulouse, nicht wahr, Rüdiger? Und beide wissen, dass sie sich Dietmar versprochen hat. Also werden sie auf sie aufpassen. Miriam hatte doch wohl eine wichtige Position am Hofe.«
    Rüdiger wandte den Blick gen Himmel. »Sterndeuterin«, bemerkte er. »Wahrscheinlich hat man sie spätestens nach dem Debakel bei Muret zur Hölle geschickt.«
    Gerlin lächelte schwach. »Unwahrscheinlich«, meinte sie. »Abram hat sich schon aus ganz anderen misslichen Lagen herausgeredet.«
    »Ich werde jedenfalls gehen! Gleich mor … gleich nach den Begräbnisfeierlichkeiten …« Dietmar verbesserte sich und wurde merklich verlegen.
    Gerlin winkte ab. »Dietmar, Florís wäre es egal, ob du an seinem Grab stündest oder nicht. Aber es wäre ihm nicht egal, wenn du dein Leben wegwerfen würdest. Diese Kreuzfahrer, die in Okzitanien wüten, sind ein wilder Haufen. Montfort soll sie wohl bändigen, aber die meisten bleiben gerade die vierzig Tage, die laut Papst nötig sind, um sich mittels Kreuzfahrt zu läutern. Danach sammeln sie neue Sünden, indem sie herumvagabundieren und plündern. Und dazwischen ist noch irgendwo das französische Heer und das des jungen Grafen und demnächst kommt noch das des alten … Es ist selbstmörderisch, sich ohne Ziel in dieses Getümmel zu stürzen. Außerdem hast du Pflichten hier, Dietmar von Lauenstein. Du bist nicht mehr der designierte Erbe, du hast dein Erbe angetreten. Die Menschen in der Grafschaft erwarten, dass du dich ihrer annimmst. Deine Ritter, die dir eineinhalb Jahre lang treu zur Seite standen, erwarten jetzt ihr Lehen. Wobei nur ein einziger Wehrhof enteignet wird, Dietrichs sämtliche Lehnsleute außer den Steinbachern waren auf deiner Seite. Es müssen neue Wehrgüter gegründet werden – möglichst ohne den Herren der alten etwas wegzunehmen. Du wirst hier gebraucht, Dietmar. Abgesehen davon, dass du auch nicht einfach nach Toulouse gehen und das Mündel des Grafen entführen kannst. Werde erwachsen, Dietmar! Und lerne, dass dazu mehr gehört, als ein Schwert zu schwingen.«
    Gerlin wandte sich erschöpft ab. Dietmar verzog jedoch das Gesicht. Er schien eine scharfe Erwiderung zu erwägen.
    »Damit wäre alles gesagt«, bemerkte Rüdiger jetzt allerdings. »Lass deine Mutter ausruhen, die nächsten Tage werden noch schwer genug für sie.«
    »Aber irgendwas müssen wir doch tun!«, rief Dietmar verzweifelt. »Ich kann Sophia nicht ihrem Schicksal überlassen, ich muss …«
    Gerlin seufzte. Es reichte nicht, Dietmar abzukanzeln, er war kein Kind mehr. Sie mussten eine Lösung finden.
    »Du musst als Erstes herausfinden, wo sie ist. Wir werden also Erkundigungen einziehen. Wir könnten einen Brautwerber aussenden und den Grafen von Toulouse um ihre Hand bitten. Der sollte ihr augenblicklicher Vormund sein, und mit ein bisschen Glück spielt er mit. Wenn nicht, wirst du dich auf die Vormundschaft berufen, irgendwie bist du ja mit Roland verwandt.«
    »Ich?«, fragte Dietmar ungläubig.
    Gerlin rieb sich die Stirn. »Sehr, sehr weitläufig, der gemeinsame Name ist ja kein Zufall. Und ich glaube nicht, dass sich irgendjemand aus der Thüringer Linie, aus der Roland kam, um die Munt für die kleine Sophia bewirbt. Du kannst dich also zu ihrem Vormund erklären und damit ihren Aufenthaltsort bestimmen. Aber wie gesagt, ich glaube, der Graf von Toulouse gibt sie ganz freiwillig heraus. Der hat nun wirklich andere Sorgen als zwei verliebte junge Leute. Und ich auch, Dietmar. Also bitte geh jetzt und lass mich schlafen, wenn ich es denn kann.«
    In den nächsten Monaten ordnete Dietmar brav wie befohlen sein Erbe auf Lauenstein. Er beriet sich mit Dorfvorstehern und Adligen über Standorte für neue Wehrhöfe und Burgen. Er empfing Glückwünsche vom König und vom Bischof von Mainz –

Weitere Kostenlose Bücher