Das Erbe der Pilgerin
und machte einen langen, nervenaufreibenden Antrittsbesuch beim Bischof von Bamberg, mit dem die Grenzen erneut abgestimmt werden mussten. Gerlin hielt es für eine gute Idee, Dietmarsdorf aufzuwerten, indem man dort Land für eine kleine Festung rodete.
»Die Bauern da sind schon so oft angegriffen worden, die freuen sich, wenn wir ein paar Ritter zu ihrem Schutz ansiedeln«, meinte sie. »Ob sie deinem Lehnsmann oder dir direkt Frondienste leisten, ist ihnen wahrscheinlich egal. Allerdings sollte es schon ein Ritter sein, der zu ihnen passt. Der Loisl, ihr Dorfvorsteher, ist ganz schön selbstständig.«
Dietmar – und bald auch seine jungen Ritter – lernten, dass ein Schwert vielleicht genügte, um eine Burg zu erobern, dass man aber eine Menge Diplomatie brauchte, um sein Lehen zu halten. Der Abt von Saalfeld vermittelte junge Priester, um den neuen Lehnsherren beim Führen ihrer Bücher zu helfen.
»Die Hälfte von denen kann immer noch nicht lesen und schreiben!«, erregte sich Gerlin. »Sollte sich das nicht ändern, nun, da immer mehr der jungen Herren an Minnehöfen erzogen werden? Mit dem Rechnen sieht es auch nicht besser aus. Hoffentlich sind diese Geistlichen ehrlich, sonst sind die Kirchen hier bald prächtiger eingerichtet als die Ritterhöfe.«
Conrad von Neuenwalde sah die Sache rational und machte sich daran, Ehen zu stiften. Die Töchter der meisten fränkischen Adligen verstanden sich auf Haushaltsführung, egal ob sie von der eigenen Mutter oder einer anderen Burgherrin erzogen worden waren. Und die jungen, schneidigen Ritter aus Dietmars Gefolge waren bei den Mädchen gleich begehrte Partien. Die Väter beruhigte ihr Lehen. Insofern traten in dem Jahr nach der Rückeroberung von Lauenstein viele glückliche Paare in den Kreis der Ritter und schworen einander Eide. Gerlin befriedigte das, während Dietmar immer ungeduldiger wurde.
»Einer nach dem anderen heiratet«, klagte er Rüdiger sein Leid, als er wieder einer Hochzeitsfeier vorstand. Da das Gut der Hochzeiter noch nicht fertig erbaut war, fand sie auf Lauenstein statt, dessen Rittersaal in neuem Glanz erstrahlte, seit Gerlin dem Haushalt wieder vorstand. Das Kreuzgewölbe war instand gesetzt und frisch gestrichen, die Wände zierten wieder die Schilde und Wappen von Dietmars Ahnen – Dietrichs Schwert und Schild hatten einen Ehrenplatz. »Aber bis ich einmal mit Sophia vereinigt werde, kann es Jahre dauern.«
Rüdiger lächelte ihm beruhigend zu. »Wir rufen jetzt erst einmal den Seigneur André de Saint-Félix an deinen Tisch«, meinte er. »Der ist Troubadour und wird uns nachher noch mit seinen Liedern erfreuen. Vor allem aber kommt er direkt aus Okzitanien. Auf mich wirkt er ziemlich weichlich – er schlägt wohl lieber die Laute, als sich einem Heer anzuschließen. Aber egal, wovor der Mann auf der Flucht ist, er sollte wissen, was los ist in der Grafschaft Toulouse.«
André de Saint-Félix machte tatsächlich einen sehr weiblichen Eindruck mit seinem langen braunen Haar, seinem runden Gesicht und seinen sanften Augen. Aber er hatte eine schöne Stimme, und irgendwie musste er sich wohl durch seine Schwertleite gemogelt haben. Er reiste gemeinsam mit einem Fiedler, der auch nicht sehr streitsüchtig wirkte, die Gesellschaft aber gut mit seiner Musik unterhielt, während Rüdiger und Dietmar mit seinem Freund sprachen.
Herr André bedankte sich freundlich für den Ruf an den Tisch des Grafen und hob geziert seinen Becher, bevor er einen artigen Trinkspruch auf die Damen im Saal anbrachte.
»Dabei weiß er die wahrscheinlich gar nicht zu schätzen«, raunte Rüdiger Hansi zu, während Dietmar den Sänger begierig befragte.
André gab erschöpfend Auskunft. »Im letzten Frühjahr landeten Graf Raymond und sein Sohn an heimischen Gestaden an, in Marseille, im Süden Frankreichs. Die Gräfin ist in England verblieben, was sollte sie auch auf einem Kriegszug?«
Rüdiger warf Dietmar vielsagende Blicke zu. Das hatte er schließlich gleich vermutet, obwohl es natürlich immer wieder Frauen gab, die Männer und Söhne auf ihre Feldzüge begleiteten wie Eleonore von Aquitanien Richard Löwenherz.
»Der junge Graf sammelte ein Heer aus Okzitanien, und alle, alle strömten herbei.«
Dietmar hob die Hand. »Bitte keine Lieder, Herr André, wenn Ihr uns Balladen dazu vortragen wollt, hören wir sie später gern. Aber jetzt möchte ich pure Fakten.«
Der Troubadour nickte ein wenig beleidigt. »Das Heer zog dann gen Beaucaire und
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