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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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den Neuigkeiten aus Toulouse.
    »Wenn es denn so dringend dieses Mädel sein muss und kein anderes …«, fügte Hansi hinzu. »Hast den Sänger nicht gehört, Dietmar? Sie ist sehr vertraut mit einem Ritter des Grafen.«
    »Und die Troubadoure freuen sich schon auf die hochdramatischen Wendungen, die das nehmen wird«, seufzte Rüdiger. »Denn der Ritter ist obendrein Albigenser. Womöglich ist sie bereits übergetreten, Dietmar, und ganz wild darauf, sich demnächst in Simon de Montforts Feuer zu stürzen. Ich bin der Meinung, du solltest dir diese Werbung noch einmal überlegen. Aber wenn er darauf besteht, Gerlin, dann sollte er wirklich selbst hinreiten und sich darum kümmern. Einen Brautwerber hinzuschicken ist aussichtslos, sie hat nicht mal einen Vormund auf der Burg, mit dem man verhandeln kann. Und der Ort ist gefährdet – man mag ja ein bisschen lächeln über unseren Herrn André, aber abgesehen von seinen seltsamen Neigungen scheint er scharfsinnig. Montfort hatte Montalban bisher nicht im Visier, und die Begründung leuchtet mir auch ein. Da gab es wohl noch eine andere Sorte Ketzer – Waldenser oder wie sie heißen. Im Gegensatz zu den Albigensern bettelarm. In dem Ort war also nie viel zu holen. Aber wenn sich da jetzt der Hof des Grafen versteckt … vielleicht erhofft sich Montfort sogar, Raymond mit einem Angriff abzulenken. Kann ja sein, dass dem ein paar der Mädchen am Herzen liegen.«
    »Aber das sind doch alles Spekulationen!«, unterbrach ihn Gerlin verzweifelt. »Dafür soll Dietmar sich in Gefahr begeben?«
    Rüdiger hob die Schultern. »Er ist ein Ritter, Gerlin. Und wie er gern betont, muss er seine Kämpfe selbst ausfechten. Ich jedenfalls reite da nicht für ihn hin und entreiße seine blonde Schönheit einem genauso blind verliebten Albigenser-Ritter. Lass ihn gehen, Gerlin. Du kommst hier ein paar Monate ohne ihn aus.«
    Dietmar nickte eifrig. Er war ohnehin fest entschlossen.
    »Aber ich möchte auch irgendwann zurück nach Loches«, wandte Gerlin ein. »Unsere Kinder … Ich habe sie so lange nicht gesehen. Richard ist beim König.«
    »Und Isabelle wird am Hof seiner Frau erzogen. Willst du sie da wegholen, damit sie in Loches mit dir Trübsal bläst?«, fragte Rüdiger hart. »Bring das hier erst zu Ende. Wenn Dietmar seine Sophia geheiratet hat, kannst du gehen. Solange spielst du die Herrin auf Lauenstein. Du willst das doch wohl nicht Luitgart überlassen?«
    Luitgart erwies sich als schwieriger Fall. Ein paar Tage zuvor hatte sie unter Gerlins wachenden Augen ihren Witwensitz in einem Nebengebäude der Burg, einem Torhaus, genommen. Der Abt von Saalfeld hatte sie zwar freundlich aufgenommen und mehrere Monate in seinem Gästehaus beherbergt, aber das war keine Dauerlösung.
    »Tja, jetzt rächt es sich, dass du damals trotz Anregung der Bischöfe kein Frauenkloster gegründet hast«, hatte Rüdiger seine Schwester Gerlin geneckt, als sich Luitgarts Einzug ankündigte. »Eine Äbtissin hättest du jetzt zwingen können, sie aufzunehmen. Aber so …«
    Tatsächlich mussten zwei Bedingungen erfüllt sein, um eine Witwe gegen ihren Willen in ein Kloster zu schicken: Einmal musste der Vormund der Frau dies beschließen, wobei eine Äbtissin, zu der jemand wie Gerlin wirklich gute Beziehungen hegte, hier auch mal ein Auge zudrückte. Dann wollte das Kloster eine Mitgift, und meist eine hohe. Luitgart hatte allerdings vorgesorgt. Von Saalfeld aus bat sie ihren ältesten Bruder, inzwischen Herr ihrer Heimatburg bei Nürnberg, die Munt über sie zu übernehmen. Ludwig von Nürnberg war ihr herzlich zugetan – zumindest solange sie ihm nicht zu nahe kam. Er gedachte nicht, seine Schwester in seinem Haushalt aufzunehmen, aber gegen ihren Willen in ein Kloster sperren würde er sie auch nicht. Von der Entrichtung einer Mitgift gar nicht zu reden.
    Luitgart blieb also nur Lauenstein als Witwensitz, und sie schickte den Abt vor, um artig darum zu bitten. Auch den Bischof von Mainz zog sie auf ihre Seite – der kannte sie schließlich kaum und ließ sich leicht dazu bewegen, mittels eines freundlichen Empfehlungsschreibens an Gerlins Gnade und Großmut zu appellieren. Gerlin schwante, dass ihr mit Luitgart nichts als Ärger bevorstand, aber sie brachte es nicht übers Herz, sie abschlägig zu bescheiden. Und auch Dietmar sprach sich für ihre Aufnahme aus. Schließlich war sie Sophias Mutter! Er konnte sie nicht auf die Straße schicken!

D ER K RIEG DER F RAUEN
    Toulouse
Herbst 1217

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