Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
Vom Netzwerk:
konnte die Stadt im Sommer befreien. Das war ein Jubel, als sie die Besatzer hinauswarfen!«
    »Montfort war aber nicht da, oder?«, fragte Rüdiger.
    Der Troubadour schüttelte den Kopf. »Nein, er sandte Truppen, um Beaucaire zu entsetzen, aber der junge Graf blieb Sieger. Und Montfort zog dann auch schnell nach Toulouse – die Stadt stand vor dem Aufstand, seit die Bewohner von Raymonds Rückkehr hörten.«
    »Dieser Montfort ist ja wahrhaft beliebt«, bemerkte Rüdiger.
    Herr André sah ihn ernst an. »Dieser Montfort, Monseigneur, ist ein Ungeheuer! Ihr seht es vielleicht anders, Ihr seid zweifellos gläubig und Anhänger des Papstes. Auch ich bin ein guter Katholik …«
    Das klang nicht sehr überzeugt. Herr André musste wissen, dass die Kirche für Männer wie ihn wenig übrighatte. Seine Verdammung Montforts hatte er aber mit Leidenschaft ausgesprochen. Weit mehr Parteinahme, als Fahrende Sänger sonst zeigten, fiel Rüdiger auf. Gewöhnlich hingen Troubadoure ihr Mäntelchen gern nach dem Wind, schließlich waren sie darauf angewiesen, dass die Burgherren sie verpflegten.
    »Montfort lebt sehr bescheiden, kleidet sich schlicht – und immer ein Bekenntnis zu Gott auf den Lippen«, sprach der Sänger mit kaum verhohlener Abscheu weiter. »Aber in Wahrheit … ich habe ihn in Béziers wüten sehen und in Bram. Immer gegen Wehrlose, Albigenser, Gefangene, Männer, Frauen und Kinder. Das soll wohl der Abschreckung dienen – viele Ritter sind da ja nicht zimperlich.« Der Sänger nahm einen Schluck Wein. Er selbst hatte wahrscheinlich noch nie jemandem etwas zuleide getan. »Aber glaubt mir, es ist eine Sache, ein paar Ritter hinrichten zu lassen und ihre Köpfe über die Mauern einer belagerten Burg zu schleudern, doch es ist eine andere, Frauen und Kinder zusammenzutreiben, Hunderte, Tausende von weinenden, um Gnade bittenden Menschen, einen Scheiterhaufen zu entzünden und sie ins Feuer zu stoßen, sie in Stücke zu schlagen, falls sie versuchen zu fliehen. Wenn Montfort eine Stadt erobert, dann schwimmt sie in Blut. Er ist ein Monstrum, Messeigneurs.«
    Rüdiger zuckte die Achseln. »Aber sehr erfolgreich«, meinte er. »Und wohl auch recht geschäftstüchtig. Zu einem derart gläubigen und schlichten Ritter ohne Furcht und Tadel passt es kaum, dass er sich inzwischen fast sämtliche Besitzungen Raymonds einverleibt hat.«
    Der Troubadour nickte. »Wie ich schon sagte. Den Mann mag der Papst schicken. Gott schickt ihn nicht.« Dietmar, Rüdiger und die anderen ließen diese blasphemische Bemerkung unkommentiert. »Der Graf zieht nun jedenfalls nach Toulouse. Er wird die Stadt wieder einnehmen, daran besteht kaum Zweifel. Fragt sich, wie groß die Anstrengungen sind, die Montfort zur Verteidigung unternehmen wird. Wenn Ihr mich fragt, nicht sehr groß.«
    »Nicht?«, wunderte sich Dietmar.
    Der Troubadour schnaubte. »Montfort wird Raymonds Ländereien nie halten. Er und seine Ritter nehmen sich jetzt, was sie kriegen können, und irgendwann ziehen sie beleidigt ab. Was dies angeht, so ist in Toulouse nichts mehr zu holen. Die Stadt ist ausgeplündert bis zum letzten Goldstück. Was läge also näher, als sie dem Grafen kampflos zu überlassen und sich dafür auf andere Burgen zu konzentrieren? Montalban zum Beispiel – da sitzt ein großer Teil des Hofes des Grafen.«
    Ein paar Worte später wussten Dietmar und die anderen alles über die hastige Flucht des Grafen – unter Zurücklassung der meisten Mitglieder seines Haushalts.
    Dietmar räusperte sich. Er war der Antwort auf seine Fragen nie so nahe gewesen. »Und … wart Ihr … wart Ihr da?«, fragte er heiser.
    Herr André nickte. »Natürlich. Aber die Burg braucht keine weiteren Kämpfer. Sie ist eher überbesetzt.«
    Dietmar lächelte. Anscheinend meinte der Sänger, sich rechtfertigen zu müssen, weil er versäumt hatte, sich den Verteidigern seiner Heimat anzuschließen.
    »Ich frage nur, weil ich wissen will, ob Ihr dort ein Mädchen gesehen habt. Ein blondes, zartes, schön wie der junge Morgen … Keine kommt ihr gleich, sie …«
    Rüdiger rieb sich die Stirn. »Kennt Ihr zufällig eine Sophia von Ornemünde?«
    »Ich tu’s ja nicht gern, aber ich muss mich Dietmars Meinung anschließen«, sagte Rüdiger von Falkenberg später in der Kemenate seiner Schwester. Dietmar war wieder einmal in heller Aufregung, und Gerlin hatte sich mit ihm und ihren wichtigsten Ratgebern zurückgezogen. Neben Rüdiger und Hansi lauschte Conrad von Neuenwalde

Weitere Kostenlose Bücher