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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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Mauerstücken. Besonders das Stadttor von Montoulieu schien gefährdet.
    Geneviève war kampfbereit, als der Graf sie im Anschluss an Sophia rufen ließ. Sie wusste, dass sie sich dem Ruf nicht entziehen konnte. Sie hatte sich bei jenem Bankett unmöglich benommen, und sie konnte dem Grafen nicht ewig aus dem Weg gehen, wie sie es seither tat. Immerhin war er diesmal voll bekleidet, als sie vor ihn trat. Auch sie bemerkte die Leere der Räume.
    »Seigneur de Montfort hat wohl ein Faible für schlichte Einrichtung«, spottete sie.
    Raymond verzog das Gesicht. »Man sagt ihm eine gewisse, asketische Gesinnung nach«, bemerkte er. »Womit er gut zu euren Parfaits passen würde.«
    Geneviève wollte auffahren, aber Raymond gebot ihr Schweigen. »Keine weiteren Tätlichkeiten, bitte, meine Liebe. Das war neulich schon peinlich genug. Aber ich bin bereit, dir zu vergeben.« Er lächelte. »Ich habe mich nicht in dir getäuscht, Geneviève. Du bist eine heißblütige Frau … und ich schätze das durchaus. Allerdings schätze ich auch eine gewisse Diskretion in der Öffentlichkeit. Haben wir uns verstanden?«
    »Nein«, sagte Geneviève knapp. »Weder bin ich leidenschaftlich noch still. Ich …«
    Der Graf lachte. »Leidenschaftslos, aber wortgewaltig! Herrgott, Geneviève, ich liebe dich! Was könnten wir für Spaß miteinander haben. Wenn du dir nur nicht ständig selbst im Weg stündest!«
    Geneviève warf so heftig den Kopf zurück, dass ihr schwarzer Schleier verrutschte. »Nun, ich liebe Euch nicht, Graf!«, sagte sie fest. »Ich liebe überhaupt niemanden und werde es auch nie tun. Ihr habt mich verführt, und dafür büße ich jetzt – schwer. Es wird dauern, bis man mich für würdig hält, bis ich mich selbst für ausreichend geläutert halten werde, um das zu tun, was ich wirklich möchte.«
    »Und was möchtest du, Geneviève?«, fragte der Graf. »Ja, ja, ich hörte von dem Consolamentum. Aber du bist doch keine von diesen schwarzen Krähen, die in ihrer eigenen Welt gefangen sind und schließlich meinen, ins Feuer der Inquisition flüchten zu müssen. Das ist eine dumme Idee, Mädchen. Du bist keine Esclarmonde de Foix. Du bist … du bist geschaffen für die Liebe!«
    Der Graf wollte nach ihr greifen, aber Geneviève entzog sich ihm.
    »Ihr mögt meinen sündigen Körper begehren!«, schleuderte sie ihm entgegen und riss die Tür auf, um zu fliehen. »Aber mich … mich kennt Ihr nicht. Ihr habt keinen Einblick in meine Seele, Herr Graf, die nach Rettung schreit! Und ich werde sie retten! Das Feuer macht mir keine Angst! Es verbrennt nur meinen Körper!«
    Damit stürmte sie hinaus, stolperte über die Türschwelle – und stürzte in die Arme Rüdiger von Falkenbergs. Der Ritter fing sie auf, ließ sie aber gleich los, als sie wilde Versuche machte, sich freizukämpfen. Erschrocken, aber mit vor Wut blitzenden Augen stand sie vor dem Fremden – und sah in lachende saphirblaue Augen unter einem wilden rotbraunen Haarschopf. Rüdiger hatte seinen Helm eben erst abgesetzt. Nach seiner Unterredung mit dem Grafen hatte er gemeinsam mit Hansi die Verteidigungsanlagen von Toulouse abgeritten. Nun hoffte er, den Grafen sprechen zu können, um sich ihm zu unterstellen. Wenn Guy de Montfort am kommenden Tag wirklich angriff, konnte Raymond jede Lanze brauchen.
    Dass ihm nun aus der Tür des Grafen eine junge Frau in die Arme lief, überraschte und amüsierte ihn. Sie war ausgesprochen hübsch – aber so trist gekleidet.
    »Kann ich Euch helfen, Herrin?«, fragte er. »Ihr hattet scheinbar eine Auseinandersetzung mit dem Grafen. Dabei ist er doch als Großer Liebender bekannt – bislang immerhin fünf Ehefrauen … oder waren es sechs?«
    »Und ich gedenke keineswegs, die nächste zu werden!«, schnaubte Geneviève mit Blick auf den Grafen, der betroffen in der Tür stand.
    Jetzt fing er sich jedoch. »Mademoiselle Geneviève, lasst diesen Unsinn! Ich habe nie eine Frau zu irgendetwas gezwungen, und ich werde bei Euch nicht damit anfangen – obwohl ich nicht übel Lust hätte, Euch zu Eurem eigenen Besten in ein Kloster zu sperren! Was kann ich für Euch tun, Herr Rüdiger?« Er wandte sich dem Ritter zu.
    Der hatte jedoch nur Augen für Geneviève. »Das wäre aber schade«, meinte er und ließ den Blick bewundernd über ihr glänzend schwarzes Haar gleiten, ihr vor Ärger leicht gerötetes Gesicht und ihre kirschroten Lippen. »Obwohl Ihr Euch ja schon kleidet wie … Ihr seid aber doch keine entlaufene Nonne,

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