Das Erbe der Pilgerin
ich nicht!«
Der junge Ritter machte empört Anstalten, nach seinem Schwert zu greifen. Er musste es anfassen, spüren, dass es da war, bereit, den Kopf des Erbschleichers vom Körper zu trennen.
»Wollt Ihr meinen Zorn auf Euch ziehen?«, donnerte Francine de Maricours.
Dietmar errötete. »Verzeiht, Herrin. Ich … ich war aufbrausend, ich …«
»Ihr geht mir jetzt aus den Augen, Herr Dietmar, und denkt darüber nach, was wir besprochen haben. Ich erwarte, dass Ihr mir Gehorsam leistet!«
Die Herrin des jungen Ritters wandte sich ab, ein deutliches Zeichen: Das Recht auf einen Abschiedskuss – und sei es nur auf ihre Hand – hatte Dietmar für diesen Tag verwirkt.
Und ich hoffe, Euch lebend wiederzusehen, dachte Francine de Maricours, als der junge Ritter mit rotem Gesicht und gebeugtem Rücken davonschlich. Immerhin hatte sie ihre Botschaft vermittelt. Und nun würde sie seinem besorgten Oheim Rüdiger von Falkenberg von seiner Reaktion darauf berichten. Der Ritter hatte Francine gebeten, Dietmar vorzubereiten. Wenn Roland wirklich nach Mainz kommen würde – und Rüdiger hielt das durchaus für möglich –, durfte der junge Mann ihn um Himmels willen nicht fordern!
Kapitel 3
D er Ornemünder? Der Ritter mit seinen zwei Damen?«
Bischof Siegfried von Eppstein hatte es eigentlich schon beim ersten Mal verstanden, aber er sah nur in der Wiederholung eine Möglichkeit, seinem Ärger Ausdruck zu verleihen. Unterhielt er sich doch gerade mit einem der wichtigsten Berater des Königs und schätzte dabei keine Unterbrechung.
Der junge Priester, der die Gäste der Krönungsmesse in Empfang nahm und ihnen Plätze im Dom anwies, nickte. »Wobei die jüngere der Damen sehr … hm … ansehnlich ist.«
Das Leuchten in seinen Augen bewies, dass er die Tochter des Ornemünders sehr viel ausführlicher gemustert hatte, als es sich für seinen geistlichen Stand geziemte.
Siegfried von Eppstein seufzte. Das immerhin konnte er später rügen. »Umso weniger sollte man von dem Mädchen sehen, damit es auf keinen Fall die Damen der Königin aussticht«, beschied er den jungen Mann rüde. »Also gebt ihnen Plätze in den hintersten Reihen und haltet ein Auge auf sie.«
»Nicht dass der Kerl den König belästigt!«, zischte er dem eingeschüchtert flüchtenden Priester noch zu, als er sah, dass sich Friedrichs Vertrauter einem anderen Gesprächspartner zuwandte. »Ich will hier keinen Ärger!«
Dem jungen Mann war es erkennbar ein Rätsel, wie er den Ritter im Zweifelsfall im Zaum halten sollte, aber immerhin gefiel ihm die Aufgabe, das junge Mädchen im Auge zu behalten. Sophia von Ornemünde wirkte züchtig und schön – und wenn er nichts anderes tat, als ihr nur auf Geheiß des Bischofs beim Beten zuzusehen, würde er nicht einmal etwas zu beichten haben.
Getröstet geleitete er die Ornemünder zu ihren Plätzen in einer Seitenkapelle – weit ab von allen gekrönten oder noch zu krönenden Häuptern. Der Kronprinz von Frankreich würde zwar auf derselben Seite des Doms platziert werden, aber natürlich im Hauptschiff.
Bischof Siegfried ahnte dagegen weitere Komplikationen – vor allem, als er jetzt Prinz Ludwig in Empfang nahm. Der Prinz und seine Ritter wirkten ausgehungert und abgehetzt. Ganz sicher hätten sie lieber gut gefrühstückt als einer Messe beigewohnt, aber natürlich würden sie Disziplin beweisen und die Krönung mit knurrenden Mägen durchstehen. Tatsächlich waren sie erst vor knapp zwei Stunden im Bischofspalast angekommen – durchnässt und verschmutzt nach einer überaus anstrengenden Reise. Es hatte während des ganzen Weges geregnet, und der üppig beladene Wagen mit den Krönungsgeschenken hatte die Reiter aufgehalten. Nach dem zweiten Achsenbruch hatte Ludwig schließlich am nächsten Marktflecken halten lassen und drei Maultiere erstanden, auf die man die Truhen und Stoffballen umgeladen hatte. Leider nicht unbemerkt vom örtlichen Diebsgesindel, sodass sich die Ritter schließlich auch noch mit Wegelagerern herumschlagen mussten.
Natürlich hatten sie sich ihr Gold nicht abjagen lassen, und es war auch niemand zu Schaden gekommen, aber das Gefecht hatte Pferde und Reiter noch mehr ermüdet, und der Nachtritt, den sie schließlich einschieben mussten, um rechtzeitig zur Krönung in Mainz einzutreffen, hatte allen den Rest gegeben. Immerhin war das Badehaus des Bischofs noch vom Abend zuvor aufgeheizt, der Prinz und seine Eskorte konnten also wenigstens den Reisestaub abwaschen,
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