Das Erbe der Pilgerin
Geld von Ketzern, wenn man sie erst mal besiegt und verbrannt hat?«
»Das wird konfisziert …« Rüdiger biss sich auf die Lippen.
»Eben«, meinte Abram. »Das verleibt sich die Kirche ein. Der Kreuzzug gegen die Albigenser ist recht lukrativ für den Papst. Mal ganz abgesehen von den praktischen Nebeneffekten: Die Leute sind leicht umzubringen, sie wehren sich ja kaum. Und die ›Kreuzfahrer‹ werden bekanntlich schon im Vorfeld von all ihren Sünden befreit, sie können hier also beliebig plündern und vergewaltigen. Was ihnen Lust auf weitere Abenteuer macht. Der Papst hofft, dass sie danach gleich ins Heilige Land ziehen und dort weiterwüten. Die Sarazenen sind zwar ein anderes Kaliber als die Albigenser, aber darüber macht sich keiner Gedanken. Die Begeisterung der Christenheit für Kreuzzüge lässt allgemein nach. Die Kerle, die da gegen die ›Ketzer‹ ziehen, sind ziemlicher Abschaum. Und nicht sehr klug.«
Rüdiger nickte. Davon hatte er auch schon gehört, weshalb er selbst darauf verzichtet hatte, sich den letzten Kreuzzügen anzuschließen. Sosehr das Abenteuer lockte.
»Und Miriam beschützt nun die Albigenser gegen den Papst?«, fragte er dennoch ungläubig.
»Meine Gattin Ayesha Mariam macht dem Grafen Raymond seit Jahren erfolgreich klar, dass die Sterne das Geld der Albigenser lieber in seinen eigenen Taschen sehen wollen als in denen der Kirche. Die zahlen nämlich brav ihre Abgaben.« Abram grinste und fasste sich dabei an die Stirn. »Das Volk ist friedfertig bis zur Selbstaufgabe, aber es finanziert dem Grafen all seine Fehden und Kriegszüge, seine Geliebten und die Abfindungen für sämtliche verstoßenen Ehefrauen und ihre Verwandtschaft, die ihn sonst wahrscheinlich längst in die Hölle geschickt hätte. Ich werde das nie verstehen, aber das muss ich ja auch nicht. Ach ja, und den Juden geht’s auch gut in Toulouse. Der Süden Frankreichs – dem Grafen gehören da ja etliche Provinzen, alle durch Heirat erworben – ist insgesamt sehr schön. Das Wetter ist gut, der Wein hervorragend …«
»Darfst du den denn trinken als Maure?«, erkundigte sich Rüdiger.
Er kannte sich mit der Religion der Sarazenen nicht aus, hatte allerdings mal in einem Turnier gegen einen Adligen aus Alexandria gekämpft. Danach hatte er sich gewundert, dass der beim Bankett nicht mit ihm anstoßen wollte.
Abram hob resignierend die Hände. »Was weiß der Graf von den Geboten meiner Religion?«, fragte er gelassen. »Der kennt ja nicht mal die seiner eigenen. Musst du jetzt nicht weg?«
Die Glocken des Doms hatten zu läuten begonnen. Der Platz leerte sich, und in einer Ecke formierte sich die Gefolgschaft des Königs zum feierlichen Einzug.
Rüdiger nickte. »Aber wir sehen uns noch«, versprach er. »Ich gehöre zur Eskorte des französischen Prinzen. Ich werde für ihn im Turnier kämpfen.«
Abrams Gesicht leuchtete auf. »Sehr schön, das wird Miri freuen! Sie kennt kaum einen der hier kämpfenden Ritter, was das Erstellen des Horoskops ziemlich schwierig macht. Der Graf will doch wissen, ob er antreten soll oder besser nicht. Wenn du uns da ein paar Hilfen an die Hand gäbest …«
Rüdiger verdrehte die Augen. »War es nicht immer nur die Frage der richtigen Reliquie als Glücksbringer?«, neckte er dann den alten Freund. »Ich erinnere mich an die Lanze des heiligen Georg …«
Der Ritter wandte sich rasch in Richtung Dom, während Abram grinsend zurückblieb. Verwirrt sah der Knappe ihn an.
»Was war mit der Lanze des heiligen Georg?«, erkundigte er sich.
Abram legte dem jungen Mann den Arm um die Schulter. »Gehen wir in eine Schenke und leeren wir einen Becher auf das Wohl des neuen Königs«, meinte er. »Der ja angeblich lesen kann und lieber Gedichte schreibt, als Juden und Mauren zu massakrieren. Und dann erzählst du mir, wer morgen deiner Ansicht nach den Tjost gewinnt, und ich berichte dir von der Lanze des heiligen Georg …«
Kapitel 4
R oland von Ornemünde rutschte unruhig auf seinem Kirchenstuhl hin und her. Vorn stimmte der Bischof eben das fünfte Tedeum an. Oder das sechste? Roland erinnerte sich nicht. Zählen lag ihm nicht, ebenso wenig wie das Studium von Büchern, speziell in Latein. Am Altar sprach man nun allerdings dauernd in der Kirchensprache, statt endlich zur Sache zu kommen. Es mussten schon etwa zwei Stunden vergangen sein, aber Friedrich trug noch immer keine Krone. Roland langweilte sich tödlich und fror auch in seiner Festkleidung, einer
Weitere Kostenlose Bücher