Das Erbe der Pilgerin
Frauen die Kemenaten des Palastes und genossen unter der Aufsicht von Damen edelsten Geblütes eine sorgfältige Erziehung. Nicht klösterlich abgesondert von den jungen Rittern und Knappen, wie früher üblich, aber doch wohlbewacht.
Eine dieser Damen war Francine de Maricours, verheiratet mit einem Ritter des Königs und ehemals Erzieherin der Prinzessin. Sie war nicht mehr ganz jung, aber immer noch beeindruckend schön mit ihrem tiefschwarzen Haar, ihren dunklen Augen und ihrem schneeweißen Teint – und durchaus streng zu ihren ritterlichen Bewunderern. Auch jetzt ließ sie den jungen Dietmar von Ornemünde vor sich knien und dachte gar nicht daran, ihn aufzufordern, sich traulich neben ihr zu platzieren. Gerlin von Loches hätte sich nicht zu sorgen brauchen – Francine de Maricours hatte eine gänzlich platonische Beziehung zu ihrem Sohn.
»Ja, Herrin!« Der junge Ritter sah stolz zu ihr auf. »Der König hat mich in die Eskorte des Kronprinzen berufen. Ich werde mit nach Mainz reiten und sicher auch im Turnier kämpfen. Selbstverständlich mit Eurem Zeichen an meiner Lanze!«
Madame de Maricours lächelte. Der Jüngling war zweifellos ein wenig verliebt, aber das konnte sich rasch ändern, wenn er ein Mädchen seines Alters kennenlernte. So junge Ritter blieben älteren Minnedamen selten lange treu.
»Das hoffe ich«, sagte sie würdevoll. »Aber Ihr gedenkt wirklich, nur im Turnier zu kämpfen?«
Dietmars Augen umwölkten sich. Wunderschöne strahlende aquamarinblaue Augen, wie Francine sich kurz gestattete zu bemerken. Dieser junge Mann hatte einen Blick, der jeden gefangen nahm – wach und aufmerksam. Man sagte, er habe das von seiner Mutter, von der ehemals schon Eleonore von Aquitanien geschwärmt hatte. Francine hatte von Gerlin de Loches gehört. Eine ungewöhnliche Frau – der Knabe würde sich anstrengen müssen, ihr Ehre zu machen.
»Ihr meint den Kampf um mein Erbe, meine Dame?«, fragte Dietmar vorsichtig und strich sich sein weizenblondes Haar aus dem Gesicht. Er trug es lang und in der Mitte gescheitelt wie die meisten Ritter, und es war üppig und kaum zu bändigen. Mit dem Bartwuchs haperte es dagegen noch ein wenig. »Wollt Ihr mir raten, mich gleich in eine Fehde zu stürzen?«
Francine de Maricours schüttelte den Kopf. Wie töricht diese Jünglinge waren! Francine sah es als eine der edelsten Pflichten ihrer Minneherrinnen an, sie vor einem frühen Tod in sinnlosen Schlachten zu bewahren.
»Im Gegenteil, mein Herr, ich will es Euch verbieten!«, sagte sie streng. »Ich hörte, der Usurpator Eurer Burg führe ein scharfes Schwert. Er sei kein sehr kultivierter Mann, aber ein erfahrener Kämpfer. Ihr dagegen seid tapfer und stark, aber jung. Ihr solltet erst Erfahrungen in den Kriegen anderer sammeln, bevor Ihr Euren eigenen führt.«
»Aber Ihr haltet mich für reif, in den Krieg zu ziehen?«, fragte Dietmar begierig.
Francine seufzte. »Ich wache über Eure ritterlichen Tugenden, Herr Dietmar, nicht über Eure Kampfkraft. Aber es ist abzusehen, dass es zu Kämpfen kommen wird. Der neue Stauferkönig wird sich gegen den Welfen behaupten müssen, und unser König Philipp wird Stellung beziehen. Wahrscheinlich für den Staufer, er ehrt ihn ja jetzt schon, indem er seinen Sohn zu seiner Krönung schickt. Und dann wird auch Euer Schwert Blut schmecken. Aber vorerst, Herr Dietmar, fordere ich von Euch die Tugend der Maße! Euer Lehen gehört zum Bistum Mainz – Ihr werdet es also sehen.«
»Nur, wenn der Prinz mich freistellt, Herrin«, meinte Dietmar bedauernd. »Lauenstein liegt etliche Tagesritte von Mainz entfernt.«
Francine zuckte die Schultern. »Umso besser, das wird Euch helfen, Euch zu bezähmen. Aber Ihr müsst Euch darauf einstellen, den Usurpator schon in Mainz zu sehen.«
Dietmar fuhr auf. »Roland von Ornemünde? Was meint Ihr? Denkt Ihr, er … er könnte zur Krönung kommen?«
Francine nickte. »Warum nicht? Er ist Untertan des Bischofs, und er könnte die Vorstellung hegen, dem König sein Anliegen vorzutragen.«
»Das wagt er nicht!« Dietmars Augen blitzten. »Wenn er das wagt, dann …«
»Dann werdet Ihr Euch in der Tugend der Maße üben!«, befahl Francine. »Ihr werdet den König auf das Höflichste bitten, die Lauensteiner Erbfrage irgendwann zu verhandeln. Aber Ihr seht es natürlich als nicht ziemlich an, ihn jetzt, bei der Feier seiner Krönung, damit zu behelligen. Mit anderen Worten: Ihr zieht Euch zurück, Dietmar von Ornemünde.«
»Das kann
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