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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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wichtigen Nachricht für seinen Vater auf die Reise geschickt. Der Ornemünder teilte derweil die Tafel des Königs. Er war nicht dazu gekommen, irgendjemanden zu fordern – aber am Abend nach dem Bankett sangen die Troubadoure die ersten Loblieder auf den jungen Ritter des Königs, der seine Liebe über seine Ehre stellte. Sophia lauschte ihnen mit glühenden Wangen – nicht vorbereitet auf die Ohrfeige, die sie empfing, sobald sie nach dem Bankett mit ihren Eltern allein war.
    »Du hast mich entehrt, du hast das Haus Ornemünde zu Lauenstein zum Gespött der Leute gemacht! Aber du wirst nicht mit uns zurück auf die Burg kommen und da dem Angriff deines Galans entgegenschmachten!« Roland stieß seine Tochter wütend Richtung Herberge vor sich her. »Raymond de Toulouse wird morgen in seine Ländereien aufbrechen. Und du wirst ihn begleiten. Zur Erziehung am Hof der Gräfin … Da bringt man dir hoffentlich Manieren bei!«

G ETRENNTE W EGE
    Montalban – Loches – Bouvines – Toulouse
Winter 1213 bis Sommer 1214

Kapitel 1
    U nd ob du gehst! Sosehr ich dein Engagement schätze, Geneviève, und sosehr mir unser Glauben am Herzen liegt. Aber du bist noch keine Parfaite!«
    Geneviève de Montalban warf so stürmisch und ärgerlich ihr Haar zurück, wie es ihr fast schon geistlicher Stand eigentlich gar nicht erlaubte. Aber was ihr Vater da von ihr verlangte, war ungeheuerlich. Zumindest für eine Albigenserin, die das Consolamentum anstrebte. Die ersten Schritte dazu hatte Geneviève bereits gemacht. Sie durfte das Vaterunser beten, besaß ein eigenes Exemplar des Johannesevangeliums und lebte längst nach den strengen Regeln der Vollkommenen, der Elite ihrer Glaubensgemeinschaft.
    »Ich gehe nicht, Vater! Nicht an diesen verderbten Hof, der die fleischliche Liebe anbetet! An dem Völlerei und Ehebruch an der Tagesordnung sind! Allein dieser Graf Raymond. Die sechste Ehefrau! Und nun soll ich …«
    Pierre de Montalban hob die Hände, als bete er um Geduld. »Du sollst ja nicht gleich seine siebte werden«, erklärte er seiner Tochter.
    Er zweifelte allerdings nicht daran, dass Genevièves Schönheit den Grafen in Versuchung führen würde. Womöglich war der Ruf an den Hof von Toulouse sogar aus eben diesem Grund erfolgt. Pierre de Montalban hatte da seine Vermutungen. Geneviève war äußerst fromm und tugendhaft – aber ihr Anblick konnte einem Mann den Verstand rauben, und ihre Ausstrahlung war zweifellos sinnlich. Der Burgvogt schüttelte den Kopf und schalt sich selbst seiner Gedanken wegen. Auch er sollte versuchen, der Vollkommenheit wenigsten ein bisschen näher zu kommen – und dazu gehörte es, die Schönheit einer Frau möglichst gar nicht erst wahrzunehmen. Nun bewunderte er seine Tochter natürlich in aller Unschuld, aber beim Anblick ihres tiefdunklen lockigen Haars, ihrer kohlschwarzen Augen, hinter denen ein Feuer zu lodern schien, und ihres reinen, hellen Teints dachte er doch an seine verstorbene Frau. Mit der ihn weit mehr als keusche Zuneigung verbunden hatte …
    Aber das musste er nun wirklich vergessen. Geneviève brauchte seine gesamte Aufmerksamkeit, sonst würde sie seinen Wünschen nie entsprechen. So gelassen, wie es ihm nur möglich war, stellte er zwei Becher auf den schlichten, hölzernen Tisch seiner Wachstube im Turm der Burg. Er griff nach einem Weinkrug, überlegte es sich dann aber anders und füllte beide Becher mit Wasser. Schließlich bestand kein Grund, Geneviève durch das Angebot berauschender Getränke noch weiter zu erzürnen.
    »Es geht nur darum, eine Zeitlang bei Hofe zu leben«, setzte er erneut an. »Und es ist nicht nur mein Wunsch, Geneviève. Der Bischof selbst befürwortet es. Flambert und du, Geneviève, ihr geht nicht nur als Vertreter von Montalban, sondern auch als solche der Gemeinde.«
    »Aber ich verstehe nicht, warum, Vater!«, meinte Geneviève nun ruhiger. »Ich bin eine Initiierte. Ich werde Parfaite sein – du wirst mich also ohnehin nicht verheiraten. Wozu also die Erziehung am Hofe des Grafen? Ich bin längst erzogen, Vater, ich bin …«
    Pierre de Montalban wehrte zum wiederholten Mal ab. Das Letzte, was er brauchte, war ein weiterer Vortrag über Genevièves Berufung, die er natürlich anerkannte. Wenngleich es schade um sie war. Erneut verbot sich der Burgvogt sündige Gedanken. Wenn Geneviève anstrebte, ihre Seele schon früh zu retten, dann hatte er das nicht zu bedauern.
    »Kind, das weiß ich alles. Aber es ist nun mal eine Einladung

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