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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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schwarze Krähe! Andererseits erschien es Leonor aber ebenso wenig lüstern und verderbt wie diese kleine Fränkin.
    Die Gräfin atmete tief durch und überlegte. Schließlich rang sie sich zu einem Entschluss durch. »Du sprichst gut Französisch?«, erkundigte sie sich.
    »Ich bemühe mich«, sagte Sophia brav.
    Sie hatte die Sprache erlernt, aber vor ihrem Aufenthalt in Mainz nie wirklich gesprochen. Nun hatte sie mit Dietmar, den sie zunächst natürlich für einen französischen Ritter gehalten hatte, jedoch flüssig reden können … Sophia biss sich auf die Lippen. Sie durfte jetzt nicht an ihren Ritter denken, sonst würde sie womöglich weinen. Aber immerhin war Dietmar der Wut ihres Vaters entgangen. Sophia wusste nicht, ob er sie nach ihrem Auftritt als gestrenge Minnedame noch liebte, aber sie dankte Gott, dass er dadurch wenigstens am Leben war.
    »Schön«, meinte Leonor. »Du wirst deine Kemenate mit einem Mädchen aus dieser Gegend teilen, an der kannst du dich weiter vervollkommnen.«
    Sophia runzelte die Stirn, was die Gräfin wieder wachsam werden ließ. Wollte das Mädchen ein eigenes Quartier?
    Sophia hatte jedoch anderes auf dem Herzen. »Spricht man hier nicht Langue d’oc?«, erkundigte sie sich verwundert. »Die … die Sprache der Troubadoure?«
    Die Gräfin verwünschte sich für ihre Dummheit. Sie war jetzt seit zehn Jahren in Toulouse, tat sich jedoch immer noch schwer mit den verschiedenen, in dieser Gegend gesprochenen Idiomen. Aber Sophia hatte natürlich Recht. Nach den paar Worten, die Leonor bislang mit Geneviève gewechselt hatte, sprach das Mädchen zwar gut Französisch, aber seine Muttersprache war es nicht.
    »Ihr werdet euch schon verständigen«, sagte sie jetzt etwas ungehalten. Sophia verbeugte sich schweigend.
    Und vor allem werdet ihr einander auf die Finger gucken, dachte Leonor und betrachtete neidisch das seidige blonde Haar des Mädchens und seine elfenhaften Züge. Sie selbst war keine solche Schönheit. Wenn der Graf euch beiden Avancen gemacht hat, könnt ihr euch gegenseitig die Augen auskratzen, ließ sie ihren Gedanken freien Lauf, und bevor eine zur Favoritin aufsteigt, muss sie erst an der anderen vorbei.
    »Du kannst dann jetzt gehen«, beschied sie Sophia, die erneut artig knickste. »Ich lasse deine Truhen auf dein Zimmer bringen.«
    Leonor hasste sich selbst, als das Mädchen schleppenden Schrittes hinausging. Wahrscheinlich war dies ein ganz normales, nettes junges Ding, ein bisschen entwurzelt und ängstlich an dem neuen Hof und womöglich schon im Vorfeld von ihrem Gatten verschreckt. Es hätte Trost gebraucht statt Strenge, aber die Gräfin konnte nichts empfinden als Besorgnis und Eifersucht. Sie war nun seit über zehn Jahren verheiratet und immer noch nicht guter Hoffnung – und sie wollte auf keinen Fall, dass eines dieser Mädchen ihr zuvorkam!
    »Glaubt Ihr, dass ich hier noch irgendetwas zu essen bekommen kann?«
    Sophia wandte sich schüchtern an das große, dunkelhaarige Mädchen, das sie bisher kaum eines zweiten Blickes gewürdigt hatte. Eine Magd hatte Sophia in ihre gemeinsame Kemenate geführt, und die Wohnräume ließen nichts zu wünschen übrig. Es gab Teppiche, erhöhte Bettstellen und Truhen, Sessel und Betpulte und vor allem einen Kamin, in dem jetzt auch ein Feuer brannte – obwohl es im südfranzösischen Winter nicht halb so kalt war wie in Mainz oder gar Lauenstein. Sophias neue Mitbewohnerin machte dem Mädchen allerdings Angst – und außerdem verspürte sie Hunger. Seit einem dünnen Brei zum Frühstück auf der Reise hatte sie an diesem Tag noch nichts zu essen bekommen.
    Sophia hatte es Überwindung gekostet, das Wort an Geneviève de Montalban zu richten. Die hatte ihren Gruß zwar erwidert und auch ihren Namen genannt, als Sophia sich vorstellte, aber seitdem saß sie still und gefasst wie eine Nonne am Betpult und murmelte das Vaterunser vor sich hin. Schon zum vierten Mal, wenn Sophia richtig gezählt hatte. Kannte sie wohl kein anderes Gebet? Oder arbeitete sie sich hier an einer Buße ab? War sie vielleicht auch verstoßen worden, weil sie einen unpassenden Ritter liebte?
    Geneviève hob den Blick von dem schmalen Buch, das sie eben aufgeschlagen hatte.
    »Du kannst in die Küche gehen und dir etwas holen«, sagte sie. »Oder dir etwas bringen lassen, wenn du hier irgendwo eine Magd findest.«
    Sophia sah sie ängstlich an. »Ich soll selbst … in die Küche gehen?«, fragte sie.
    Die Furcht überwog ihre

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