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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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nur Milch, wenn sie sich fortgepflanzt hat«, erklärte Geneviève, als Sophia zaghaft fragte, was denn zum Beispiel falsch daran sei, seine Kühe zu melken. »Und schon das beschmutzt die Seele …«
    »Die Seele der Kuh?«, fragte Sophia ungläubig.
    »Alles Lebendige ist beseelt!«, sagte Geneviève mit leuchtenden Augen. »Die Seele eines Engels kann auch in einem Tier Wohnung nehmen.«
    Sophia lauschte mit gerunzelter Stirn. Sie fand das etwas seltsam. Bisher hatte sie sich nie auch nur darüber Gedanken gemacht, ob Engel Seelen hatten. Mal ganz abgesehen von Kühen … Ein paar Eigenheiten der Albigenser waren sicher befremdlich. Aber sonst erschienen sie ihr nicht bedrohlich. Geneviève glaubte an Jesus und die Evangelien – genau wie Sophia. Stolz zeigte sie dem Mädchen das Johannesevangelium, das man ihr bei ihrer Initiation ausgehändigt hatte.
    »Aber das ist gar nicht in Latein«, wunderte sich Sophia.
    Geneviève nickte. »Wir lesen es in unserer Sprache«, erklärte sie würdevoll. »Alle Menschen sollen Gott verstehen.«
    Ein Klopfen an der Tür ließ sie in ihrer Predigt innehalten. Ein hübsches braunhaariges Mädchen in festlicher Kleidung steckte den Kopf in ihre Kemenate.
    »Ich bin Ariane des Landes. Die Herrin Leonor sagt, ich soll euch holen kommen!«, zwitscherte die Kleine. »Die Ritter und Damen versammeln sich zum Bankett.« Sie warf einen missbilligenden Blick auf Sophias zerknitterte Reisekleidung und Genevièves dunkle Gewandung. »Aber ihr seid ja noch gar nicht angezogen!«
    »Ich wüsste nicht, inwiefern ich der züchtigen Kleiderordnung nicht entspräche«, bemerkte Geneviève – während Sophia unglücklich an sich heruntersah.
    »Soll ich dir gerade helfen?«, fragte Ariane. Sie hatte nussbraune Augen, niedliche Grübchen und wirkte freundlich und arglos. Sophia schätzte sie auf zwölf oder dreizehn Jahre, etwas jünger als sie selbst. »Deine Truhen sind doch schon hier, nicht? Zieh etwas Hübsches an. Sie munkeln, der Graf suche schon nach Gründen, dich an seinen Tisch zu laden – und dich auch!« Das Mädchen wandte sich an Geneviève, allerdings sehr viel reservierter denn an Sophia. Offensichtlich schüchterte die Albigenserin Ariane nicht weniger ein als zuvor Sophia. »Du solltest dich auch ein bisschen bunter … na ja, wenn du wirklich eine Parfaite bist …« Ariane schlug die Augen nieder.
    Sophia schwirrte der Kopf. Bonnefemme, Albigenser, Parfaite … Sie kam sich wieder einmal dumm vor. Aber die Grafschaft Landes lag im Zentrum der beim Kreuzzug umkämpften Albigenser-Gebiete. Ariane war wohl mit dem seltsamen Glauben ihrer Landsleute aufgewachsen.
    »Ich bin keine Parfaite!«, zischte Geneviève.
    Ariane zuckte die Schultern.
    Sophia hatte inzwischen ihr grünes Festkleid aus der Truhe genommen. Das hübsche, mit Goldfäden durchwirkte, das sie getragen hatte, als sie Dietmar zum ersten Mal sah … Über ihr Gesicht zog ein Lächeln.
    »Du bist wirklich sehr schön!«, sagte Ariane anerkennend. »Komm, ich helfe dir beim Umkleiden. Und ich kann dein Haar bürsten. Fürs Flechten ist es jetzt leider zu spät.«
    Arianes eigenes Haar fiel in kunstvollen Flechten über ihren Rücken, und Sophias goldblonde Haarflut glänzte gleich danach unter ihren gekonnten Bürstenstrichen. Während die Mädchen miteinander besprachen, ob ein Schleier angebracht wäre, worauf Sophia bestand, oder ein emaillierter Schepel genügte – »Du kannst den Rittern doch nicht den Blick auf deinen schönsten Schmuck verwehren!«, argumentierte Ariane –, ließ sich auch Geneviève herab, ihre dunklen Locken zu glätten. Dann legte sie allerdings einen schwarzen Schleier an und verzichtete selbstverständlich auf jeden Schmuck.
    »Du siehst wie eine Krähe aus!«, rügte Ariane, durch ihr Gespräch mit Sophia etwas wagemutiger geworden. »Allerdings wie eine schöne Krähe. Nein, Krähe ist nicht richtig. Du siehst aus wie … wie … Morgan le Fay in der Artussage. Die dunkle Zauberin hinter dem Thron …« Sie kicherte.
    Geneviève rieb sich die Schläfe.
    Sophia dagegen war nun von strahlender Schönheit, und wie sie befürchtet hatte, starrten sämtliche Ritter und Frauen sie an, als sie in den Saal des Grafen trat. Geneviève folgten aber nicht weniger Blicke. Sophia hielt sich ängstlich neben ihr. Der Albigenserin schien die Aufmerksamkeit zwar nicht angenehm, aber sie wirkte auch nicht beunruhigt.
    Ariane machte Anstalten, die Mädchen zu einem etwas abseits gelegenen, vom Platz

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