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Das Erbe der Pilgerin

Das Erbe der Pilgerin

Titel: Das Erbe der Pilgerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ricarda Jordan
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jeden, der anders ist. Wenn dir ein Ritter schöne Augen macht, der einer anderen gefällt, so denunziert sie dich schnell als Ketzerin und Hexe.«
    »Aber der Graf hat sogar eine Maurin am Hof«, wandte Geneviève ein, wobei sie vergaß, dass sie die Dame Ayesha zuvor noch zur Wurzel aller Verderbtheit erklärt hatte. »Wenn er die duldet …«
    »Ich hörte davon«, meinte der Medikus gedankenverloren. »Eine ungewöhnliche Frau – ich beneide dich darum, sie kennenzulernen. Du wirst eine Menge Neues erfahren, Kind, viel erleben – vielleicht sogar die Liebe.«
    »Das ist nicht gottwohlgefällig!«, erregte sich Geneviève.
    Der Arzt lächelte müde. »Vielleicht sieht Gott das anders … Wenngleich … als ich dies das letzte Mal jemandem zu bedenken gab, schlug er gnadenlos zu.« Er rieb seine Schulter. Die Verletzungen hier waren besser verheilt als die am Bein, aber bei diesem Wetter spürte er sie immer noch. Und dachte an jenen Tag in Paris, dem eine Nacht vorausgegangen war, die er damals für gesegnet hielt. »Gott, Geneviève«, sagte der Medikus bitter, »schlägt seine Schlachten selbst. Er trifft seine eigenen Entscheidungen, egal was wir tun. Man hat mich gelehrt, dabei ginge es immer gerecht zu. Aber man hat mich auch angehalten, jede Lehre zu hinterfragen.«
    »Gott ist Licht und Liebe!«, verkündete Geneviève.
    Der Medikus seufzte. »Ich kann es dir nur wünschen«, sagte er ruhig.

Kapitel 2
    D ie Gräfin Leonor von Toulouse, geborene Prinzessin von Aragón, musterte das blonde junge Mädchen missmutig, das ihr Gatte da gerade an den Hof gebracht hatte. Natürlich war sie schön, diese Sophia, die eben ehrerbietig vor ihr im Hofknicks versank. Aber das hatte die Gräfin auch nicht anders erwartet. Wann immer Raymond ein Mädchen mitbrachte, war es außergewöhnlich schön. Dieses schien allerdings auch tugendhaft zu sein, zumindest auf den ersten Blick. Es war ordentlich gekleidet und wusste sich zu benehmen, vor allem schlug es die Augen nieder, wenn die Gräfin mit ihm sprach. Da hatte sie schon andere erlebt … oder war die Schüchternheit nur gespielt?
    »Sieh mich einmal an, Mädchen!«, befahl sie streng.
    Sophia hob den Blick, und die Gräfin sah in auffallend grüne, etwas ängstliche Augen. Die Kleine schien so unschuldig zu sein, wie sie wirkte – ein Wunder, nach einem mehrtägigen Ritt an der Seite des Grafen von Toulouse. Eine Zofe oder gar Ritter zur Begleitung hatte das Mädchen nicht mitgebracht, allerdings eine Reisetruhe voller Kleidung – es war also nicht mittellos.
    »Dein Name ist Sophia?«, fragte die Gräfin. »Und du bist hier auf … hm … Wunsch meines Gatten?«
    »Sophia von Ornemünde zu Lauenstein«, stellte das Mädchen sich vor. »Und ich bin hier auf Wunsch meines Vaters.«
    Die Kleine selbst schien nicht gerade darauf zu brennen, am Hof von Toulouse erzogen zu werden – verständlich, wenn sie die Wahrheit sagte und Raymond trotzdem versucht haben sollte, sich ihr auf der Reise unsittlich zu nähern. Sie war allerdings schon fast zu erwachsen für eine Erziehung an einem fremden Hof. Ob es da einen Skandal gegeben hatte? Manchmal wurden Mädchen fortgeschickt, nachdem sie sich einem jungen Ritter zu »minniglich genähert« hatten. Aber andererseits hätte man Sophia dann auch gleich verheiraten können, gerade wenn der Vater nicht arm war, das Mädchen aber auch nicht von so hohem Adel, dass es für dynastische Verbindungen aufgespart werden musste. Immerhin bestätigte Sophias Antwort das, was Raymond seiner Gattin mitgeteilt hatte: Die Tochter eines alten Freundes, meine Liebe. Bitte tu mir die Güte und finde einen Platz für sie an deinem Hof. Eigentlich klang das harmlos, aber Leonor war wachsam. Sie hasste es, wenn Raymond ihr seine Liebschaften als Hofdamen unterschob – die sie später mitunter sogar trösten und auf jeden Fall verheiraten musste, wenn er sie nach kurzer Zeit wieder fallen ließ.
    Was also machte sie mit diesem Mädchen? Und dem anderen, bei dem sie ähnliche Verdachtsmomente hegte? Ein Edelfräulein aus einer Albigenser-Familie – das Letzte, was man an einem christlichen Hof brauchen konnte! Leonor von Aragón war streng religiös erzogen und dem Papst zutiefst ergeben. Aber Raymond hatte Montalban vor Kurzem besucht, und jetzt sollte sie, die Gräfin, diese Geneviève »erziehen« – das Mädchen war mindestens achtzehn, man hätte es ebenso gut verheiraten können! Und es wirkte renitent. Allein wie es herumlief, wie eine

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