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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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nicht die feinen, hellsilbrigen Strahlen, die ihm entströmten und sie wie ein Gespinst aus leuchtenden Fäden umhüllten. Sie spürte nicht, dass diese Strahlen langsam zu rotieren begannen. Sie spielte nur das Lied. Wieder und wieder, gefangen in der Magie der wundersamen Klänge und einem wohligen Gefühl innerer Harmonie.
    Die Musik trug sie mit sich fort. Ajana fühlte sich leicht und seltsam entrückt, doch sie konnte nicht aufhören zu spielen. Und plötzlich hatte sie das Gefühl zu schweben. Überrascht öffnete sie die Augen – und erstarrte.
    Das Klavier war fort. Die Welt um sie herum war in einen gleißenden Nebel gehüllt, der sich wie ein Strudel im Kreis bewegte. Grüne Funken tanzten darin, gefolgt von roten und orangefarbenen Flammen. Dazwischen schwebten bizarre Formen aus leuchtenden Nebelgespinsten, aus denen sich vertraut anmutende Umrisse bildeten, doch bevor Ajana Näheres erkennen konnte, zerfielen sie zu wabernden Schleiern. Die Welt dahinter schien aus einem gewaltigen weißen Feuer zu bestehen, das von einem Geflecht aus zuckenden Fäden puren Lichts überzogen war.
    Panik stieg in ihr auf Ihr Herz raste, und in den Ohren hörte sie das Rauschen ihres Blutes. Sie wollte schreien, doch kein Laut drang ihr über die Lippen. Sie wollte sich bewegen, aber die Muskeln gehorchten ihr nicht mehr.
    Entgeistert und fasziniert zugleich, starrte sie in das strahlende Leuchten hinaus. Sie spürte, wie dunkle Finger tastend nach ihrem Bewusstsein griffen, wie sich etwas Unbekanntes, Unheimliches ihrer Gedanken bemächtigte, wie sie davongetragen wurde. Dann erschlaffte ihr Körper wie der einer Marionette, deren Fäden durchtrennt worden waren, und die sanften Wogen der Ohnmacht trugen ihre zarte Seele an einen Ort, wo sie keinen Schaden nehmen konnte.
     
     
     
    Wie ein Schatten der Nacht schritt Inahwen zwischen den flackernden Feuern des Heerlagers hindurch. Den Kopf von der Kapuze des dunklen Umhangs verhüllt, hielt sie entschlossen auf das größte Zelt in der Mitte zu, ohne die Krieger zu beachten, die rings um die wärmenden Feuer lagerten und ihr verwundert nachblickten.
    Sie hatte die Rast genutzt, um dem Ulvars, jenem mächtigen, tausendjährigen Purkabaum, dessen Stamm vor langer Zeit von einem Blitz gespalten worden war, die Ehre zu erweisen. Der stolze Baum war für die Elben ein Symbol der Hoffnung. Obwohl der Blitz den jungen Schössling einst mit vernichtender Wucht getroffen hatte, war der Baum nicht verdorrt. Mit eisernem Willen hatte er sich an das Leben geklammert, die klaffenden Wunden über viele Winter hinweg zu wulstigen Narben verschlossen und zwei prächtige Kronen gebildet, deren Zweige sich im Lauf vieler hundert Winter hoch über dem gespaltenen Stamm zu einer einzigen Krone vereinigten.
    Als die schiffbrüchigen Elben den Ulvars nach ihrer Ankunft in Nymath zum ersten Mal erblickt hatten, waren sie in stummer Ehrfurcht erstarrt. Nie zuvor hatten sie dergleichen gesehen. Der Baum war ihnen wie ein lebendiger Beweis dafür erschienen, dass selbst lange Getrenntes wieder vereint werden konnte, und hatte so jenen, die einst ihr Volk verloren, neuen Mut verliehen.
    Schweigend hatte Inahwen im Mondschatten der beiden Kronen verweilt, die Hand auf die knorrige Rinde gelegt und etwas von der Kraft des Ulvars in sich aufgenommen. Es tat ihr gut, die ungebrochene Lebendigkeit des Baumes zu spüren, und als sie sich schließlich auf den Weg zurück ins Lager machte, fühlte sie sich stark und getröstet.
    Vor dem Zelt, das Gathorion und ihr Schutz vor der nächtlichen Kälte bot, hielten zwei Fathkrieger mit gekreuzten Runkas Wache. Stumm traten sie zur Seite und ließen sie ein.
    Gathorion saß am Boden auf einem dicken Teppich aus gewobenem Ziegenhaar und verzehrte ein kaltes Nachtmahl.
    »Hast du gefunden, wonach du suchtest?«, fragte er sanft, als Inahwen eintrat und schweigend neben ihm Platz nahm.
    »Die Kraft des Ulvars ist ungebrochen«, erwiderte Inahwen, ohne auf die Frage einzugehen. Sie wollte noch etwas hinzufügen, doch in diesem Augenblick wurden vor dem Zelteingang störende Geräusche laut. Schwere Schritte polterten heran und verklangen, als die Wache einem nächtlichen Besucher den Zutritt verwehrte und ihn nach seinem Begehr fragte.
    »Thorns heilige Rösser!«, wetterte eine tiefe Stimme. »Erkennt ihr einen Heermeister nicht, wenn er vor euch steht? Nun tretet beiseite und versperrt mir nicht länger den Weg.« Noch während er sprach, wurde die Plane vor

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