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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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geöffnet.« Sie sah, wie Ajana bei ihren Worten erblasste und ihre Hände sich verkrampften. Daher fügte sie hastig hinzu: »Doch niemand kann sagen, welchen Weg das Schicksal für dich bestimmt hat. Wir können nur vermuten. Um Gewissheit zu erlangen, sollten wir sogleich aufbrechen und die Magun suchen.«
    »Warum suchen?«, warf Bayard ein. »Heißt das, Ihr wisst nicht, wo die Alte zu finden ist?«
    »Wir kennen Orte, an denen sie gesehen wurde«, erwiderte Inahwen. »Und wir wissen aus Berichten, wo die Hütte stehen soll, die sie bewohnt. Dennoch ist es nicht leicht, zu ihr zu gelangen. Sie lebt im Verborgenen. Wie der Nebel, der auftaucht und vergeht, erscheint sie und entschwindet wieder, ohne eine Spur zu hinterlassen. Die meisten, die auf der Suche nach Wissen waren, kehrten zurück, ohne ihr begegnet zu sein. Sie zeigt sich nur selten, und es scheint, als gewährte sie nur jenen Zutritt in ihre Hütte, die ihr willkommen sind. Für alle anderen bleibt sie unerreichbar.«
    »Scheint so, als müssten wir uns darauf verlassen, dass sie uns wohlgesonnen ist«, knurrte Bayard mit leiser Ironie. »Aber wir haben kaum eine Wahl. Ich wüsste nicht, wer uns sonst weiterhelfen könnte.«
    »So ist es dann beschlossen.« Gathorion erhob sich, sah Ajana an und fragte: »Du hast einen langen Ritt vor dir. Wirst du mit einem Pferd zurechtkommen?«
    »In meiner Welt bin ich viel geritten«, gab Ajana zur Antwort. »Macht Euch darum keine Sorgen.«

 
     
     

     
     
    Nur wenige wurden Zeuge, wie Inahwen und Bayard in Begleitung einer unbekannten jungen Frau am späten Morgen durch das große Tor aus der Festung ritten. Es kam nicht häufig vor, dass Berittene die Festung verließen, doch der Heermeister und die schöne Elbin waren weithin bekannt, und die Wachen ließen sie wortlos passieren.
    Die Festung blieb rasch hinter den dreien zurück, und bald erreichten sie die weitläufigen Wälder, die den Elben vor langer Zeit zu einer neuen Heimat geworden waren. Schmale Wege führten durch den herbstlichen Wald; die Luft war frisch und feucht, und obgleich sich die Sonne an diesem Tag nicht zeigte, war es wärmer, als das trübe Wetter vermuten ließ.
    Der Hufschlag der Pferde verlor sich in der Stille des Waldes, die nur hin und wieder von dem einsamen Gesang eines Vogels oder dem aufgeregten Kreischen streitender Lavincis unterbrochen wurde. Staunend beobachtete Ajana die pelzigen Baumhörnchen, die es in ihrer Welt nicht gab. Sie hatte keine Mühe, das schnelle Tempo zu halten. Obwohl sie die Stichwunde noch immer spürte, waren die Schmerzen so weit abgeklungen, dass sie ungehindert reiten konnte. Ein strammer Verband, den ihr die Heilerinnen am Morgen angelegt hatten, gab ihr ausreichend Halt und schien wie geschaffen für ein solches Unterfangen. Der hellbraune Falbe, den sie ritt, war gutmütig und leicht zu führen, und so ertappte sie sich dabei, das Gefühl der Weite und der Freiheit zu genießen. Obwohl sie sich an viele schöne Ausritte erinnern konnte, hatte sie nie zuvor etwas Ähnliches erlebt und wünschte fast, der Ritt möge nie enden.
    Irgendwann ließ Inahwen ihr Pferd dann freilich auf einer Lichtung anhalten und gebot den anderen mit einer mahnenden Handbewegung, sich ruhig zu verhalten. Ajana sah, wie die Elbin aufmerksam den Kopf wandte, als horchte sie auf etwas, und beobachtete, wie sie die Hände zu einem Trichter formte und an den Mund legte. Dann stieß sie einen Laut aus, der dem Ruf eines Käuzchens sehr ähnlich war, lauschte, wartete und versuchte es wieder.
    Was immer sie erwartet hatte, der Wald um sie herum blieb stumm. Nur das leise Rascheln fallender Blätter begleitete das Schnauben der Pferde, die die willkommene Rast zum Grasen nutzten.
    »Inahwen, Ihr …« Bayard verstummte, als die Elbin mahnend einen Finger auf die Lippen legte. Erneut stieß sie den seltsamen Laut aus und hoffte auf eine Antwort.
    »Inahwen, es ist …«
    »Drei seltsame Käuzchen sind es, die sich hier auf meiner Lichtung eingefunden haben.« Die altersbrüchige Stimme ertönte so dicht hinter Ajana, das sie erschrocken zusammenzuckte. Sie drehte sich um und erkannte eine gebeugte, in Lumpen gehüllte Gestalt, die so unvermittelt auf der Lichtung stand, als wäre sie aus dem Nichts erschienen. Gestützt auf einen knorrigen Stab aus Wurzelholz, der sie um Haupteslänge überragte, blickte sie die drei Reiter aus trüben, vom Alter gezeichneten Augen an, die unter einem verfilzten grauen Haarschopf

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