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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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In den fünfhundert Wintern, die auf die Verbannung der Uzoma folgten, erblühte Sanforan zu einer gewaltigen Handelsstadt, und das stetig wachsende Volk der Menschen ließ sich ungehindert von der Küste des schwarzen Ozeans bis zum Fuße des Pandaras nieder. Menschen und Elben lebten friedlich nebeneinander.« Die Alte hustete erneut, ein spröder, rasselnder Laut, der an brüchiges Pergament erinnerte. Es schien, als bereitete ihr die lange Rede große Mühe, und sie griff erneut zur Wasserschale, um die trockene Kehle zu befeuchten. »Aber damit ist die Geschichte noch nicht zu Ende«, begann sie von neuem, nachdem sie getrunken hatte. Ihre Stimme wurde lauter, und der düstere Unterton, der darin mitschwang, warf ein Gefühl des Unbehagens über die Zuhörer. »Denn es war eine trügerische Sicherheit. Gaelithil spürte es. Etwas Dunkles regte sich hinter den Nebeln, eine Kraft, die weit über das hinausging, was das Volk der Uzoma zu vollbringen vermochte, versuchte die Magie zu zerstören. Der Elbenzauber aber war stark, denn Gaelithil hatte einen klugen Zauber gewoben. Weil sie die Magie des Nebels an ihr eigenes Leben gebunden hatte, konnte keine Macht diesen zerstören, solange sie lebte. Der Nebel war untrennbar mit ihr verbunden. Nur der Tod vermochte die Bindung zu lösen. Und so geschah es, dass dunkle Mächte Gaelithil nach dem Leben trachteten.
    Es heißt, dass finstere Schatten und Dämonen das Land auf der Suche nach der Schöpferin des Nebels durchstreiften. Sie überraschten Gaelithil in einer kalten Winternacht, doch der Elbenpriesterin gelang wie durch ein Wunder die Flucht. Für den Rest des Winters verbarg sie sich in einer Höhle in den Bergen und schützte sich mit einem Bannzauber vor den Schatten, die ihr des Nachts auflauerten. Sie war allein und wusste, dass sie niemals wieder an die wärmenden Herdfeuer ihres Volkes zurückkehren konnte. Wer immer mit ihr zusammen war, schwebte in großer Gefahr. Der Feind, dessen Gesicht sie nicht kannte, war entschlossen, sie zu töten, um die magischen Nebel zu zerstören.
    Gaelithil war verzweifelt. Gefangen in der Höhle, flehte sie die Ahnen in langen Gebeten um Hilfe an. Nicht nur die Zukunft der Menschen, auch die der Elben stand auf dem Spiel, denn sollten die Nebel fallen, wäre Nymath dem Untergang geweiht. In einer Vision sah Gaelithil Bilder der Verwüstung: grausame Morde, erbarmungslose Folterungen und Schändungen, das Leid Tausender Unschuldiger und Sanforan als tosendes Flammenmeer. Das war es, was Menschen und Elben erwartete, wenn ihre Magie versagte, und sie betete, dass es nicht so weit kommen möge.
    Doch die Ahnen schwiegen, und so sah Gaelithil, geschwächt von Kälte, Hunger und Durst, nur einen einzigen Ausweg. Sie löste den Mondstein, der damals noch so rund war wie eine Kilvarbeere, aus dem Amulett und spaltete ihn in zwei Hälften. Mit der Nadel einer silbernen Spange stach sie sich in den Finger, gab einen winzigen Blutstropfen auf die eine Hälfte und sprach:
    › Alle, die meines Blutes sind, sollen die Magie der Nebel fortan in sich tragen. Das Amulett muss weitergegeben werden, von der Mutter auf die Tochter und so immerfort. Die weiblichen Erben meines Blutes werden bis in alle Ewigkeit an das Schicksal Nymaths gebunden sein. Ihnen obliegt es, die Macht der Nebel zu bewahren, indem sie diese durch eine neue Strophe des Nebellieds für die Zeit ihres Lebens an sich binden. So soll es sein, auf dass die Kette niemals unterbrochen werde.‹«
    Ajana folgte den Worten der Alten wie gebannt. Der Gedanke, dass sie eine direkte Nachfahrin jener Elbenpriesterin sein sollte, um die sich so viele Legenden rankten, rief in ihr einen heftigen Schwindel hervor. Die ganze Geschichte war so unglaublich, dass sie kaum zu atmen wagte, um nichts von dem zu versäumen, was folgen mochte.
    »Der Zauber kostete Gaelithil viel Kraft, doch das Werk war noch nicht vollbracht«, berichtete die Alte weiter. »Wieder musste Magie gewoben werden, um die Mondsteinhälfte, in die der winzige Blutstropfen eingeschlossen war, mit dem Amulett zu vereinen. Um die Macht, die sie barg, für die Nachwelt zu erhalten, ritzte sie mit der Nadel ihrer Spange eine achte Rune in die Rückseite der einen Mondsteinhälfte und band sie mittels Magie an die anderen Runen. Es war eine bedeutungsvolle Rune, die ihren Nachfahren den Weg eröffnen und die ihre Kraft zusammen mit den anderen Runen selbst dann noch entfalten würde, wenn sich ihr Blut über viele

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