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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Generationen hinweg mit nichtelbischem Blut gemischt hätte. Diese Mondsteinhälfte fügte sie in das Amulett, die andere aber in das knorrige Ende ihres langen Stabs aus geweihtem Wurzelholz. Wie das Auge eines Zyklopen schaute sie daraus hervor, blass und leblos. Doch Gaelithil wusste, das zwischen den beiden Steinhälften stets eine mächtige Verbindung bestehen würde, die jede Veränderung des einen Teils auf den anderen übertrüge.«
    »Und wo ist der Stab jetzt?« Ajana konnte die Frage nicht zurückhalten.
    »Das vermag keiner mit Gewissheit zu sagen«, antwortete Inahwen, bevor die Alte zu einer Antwort ansetzte. »Lange Zeit befand er sich im Besitz der Elbenpriesterin, an die das Vermächtnis nach Gaelithils Tod weitergegeben wurde. Der Mondstein war für uns von unschätzbarem Wert. Er gab uns Kunde, wenn das Amulett weitergegeben wurde, und wir konnten mit seiner Hilfe stets den Zeitpunkt vorhersehen, zu dem eine neue Nebelsängerin ins Land kam. Doch beim ersten Angriff der Uzoma wurde der Stab mit dem Stein gestohlen. Es steht zu vermuten, dass er noch immer in ihren Händen ist.«
    »Das heißt …« Ajana stockte, als ihr mit einem Mal die ganze Tragweite von Inahwens Worten bewusst wurde. »… die Uzoma wissen, dass ich hier bin?« Sie fühlte, wie ihr Herz heftig zu schlagen begann, und starrte betroffen ins Feuer.
    »Was die Uzoma am meisten fürchten, ist, dass die Magie wieder erwacht und der Nebel neu gewoben wird«, erklärte die Alte.
    »Aber wie soll ich das vollbringen?«, fragte Ajana entmutigt. »Alle, die vor mir kamen, kannten ihr Schicksal. Sie erbten das Amulett von ihren Müttern und wurden auf ihre Aufgabe vorbereitet. Aber ich …« Sie hob in einer hilflosen Geste die Hände. »Was soll ich tun? Es gibt keinen Nebel mehr, den ich mit irgendeinem magischen Lied an mich binden könnte. Ich müsste die Nebel völlig neu zaubern. Aber ich bin bloß ein ganz normaler Mensch und keine Elbin. Ich kenne das Lied nicht. Und ich habe ganz sicher keine magischen Kräfte!«
    »Das Erbe ist schwach in dir.« Die Alte nickte bedächtig. »Aber die Runen werden dir helfen, die schlafenden Kräfte in dir zu erwecken. Sie werden dich leiten und dir den Weg weisen, um die schwere Aufgabe zu meistern.«
    »Aber wie?«
    »So warte, mein Kind, und lass mich zu Ende erzählen.« Die Alte war offensichtlich nicht gewillt, den Fluss der Geschichte zu unterbrechen. »Nachdem Gaelithil den Mondstein geteilt hatte, verbarg sie den Stab und all ihre Habseligkeiten tief im Innern der Höhle an einem Ort, den sie mit Elbenmagie schützte. Sie wusste, dass sie lange Zeit fort bleiben würde. Um das Amulett vor dem Zugriff der finsteren Mächte zu schützen, musste sie Nymath verlassen.
    Mit Holzkohle aus der Feuerstelle zeichnete sie im spärlichen Licht einer Fackel das geheime Zeichen des Wegs auf den Höhlenboden, beschwor die uralten Mächte der Ordnung und Bewegung und intonierte mit klarer Stimme die Worte des Weges, den seit unendlich vielen Wintern kein Elb mehr gegangen war. Ihre Stimme erhob sich in der finsteren Höhle und sang Worte, die älter waren als der Fels, in einer Melodie, die niemals zuvor in Nymath erklungen war. Die Magie der Musik öffnete ihr die Tore zwischen den Welten, die lange, lange Zeit fest verschlossen gewesen waren, und Gaelithil zögerte nicht, hindurchzutreten. So fand das Runenamulett den Weg in jene Welt, von der sich die Elben dereinst abwandten. Eine Welt, in der die Menschen den Glauben an Mystik und Magie verloren hatten und all jene erbarmungslos verfolgten, die noch dem alten Glauben anhingen.
    In deine Welt, Ajana! Eine Welt, die Gaelithil kalt und grausam erschien und die so fremdartig war, dass sie zunächst von heftigen Zweifeln an ihrem Tun geplagt wurde. Doch sie war fest entschlossen, ihren Plan in die Tat umzusetzen. Während sie sich als Heilkundige ausgab, durchwanderte sie viele Winter lang unbehelligt die grüne Insel, auf der ihre Ahnen einst gelebt hatten. Sie zog von Dorf zu Dorf, von Stadt zu Stadt, und schließlich fand sie, wonach sie suchte. Einem jungen Schmied gelang es, ihr Herz zu erringen. Gaelithil gebar ihm drei Kinder, zwei Söhne und eine Tochter, doch das Glück währte nicht lange.
    Als Gaelithils Tochter zur Frau heranreifte, fingen die Menschen im Dorf hinter ihrem Rücken an zu tuscheln. Denn während der Schmied langsam ergraute und die gemeinsamen Söhne zu stattlichen Männern herangewachsen waren, hatte Gaelithil nichts von

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