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Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin

Titel: Das Erbe der Runen 01 - Die Nebelsängerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Seele eines Menschen – oder eines Uzomas – innewohnen. Eine einzige Seele genügt ihm, um viele Winter weiterzuleben. Der Semouria ist überaus bösartig. Man sagt ihm nach, dass er tötet, selbst wenn er keinen Hunger verspürt. Die Seelen der Opfer sperrt er in gewaltige Monolithe ein, die in seiner Höhle stehen. Deshalb nennt man ihn auch den Wächter der Seelensteine.« Ein dünnes Lächeln huschte über Bayards Gesicht, als eine verschüttet geglaubte Erinnerung seine Gedanken streifte. »Die Legende des Semouria hat mich meine ganze Kindheit lang begleitet«, erklärte er rückblickend. »Meine Mutter hielt uns Kinder damit Abend für Abend im Haus. Geht nicht in der Dunkelheit hinaus, sonst holt der Semouria eure Seele, pflegte sie zu sagen und sparte nicht daran, uns auszumalen, welch eine grausige Kreatur er sei.« Er schüttelte den Kopf. »Wenn Ihr mich fragt, ist der Semouria nichts weiter als eine Mär, die man erzählt, um kleinen Kindern Angst zu machen. Ich war in meinem Leben schon so viele Nächte draußen, aber der Semouria ist mir noch nie begegnet.«
    »Du solltest keine spöttischen Worte über Dinge verlieren, von denen du nichts verstehst«, fuhr ihn die Alte an, wie eine Mutter, die ihren Sohn maßregelt. »Der Semouria ist ein mächtiges Wesen, älter als die Felsen; allein die Sterne erinnern sich noch an den Tag seiner Geburt. Er ist auch nicht bösartig, wie ihr Menschen glaubt, er ist der Hüter des Totenreichs einer uralten Rasse, die lange vor den Uzoma durch die Gestade Nymaths wandelte. Nichts ist von dieser Rasse geblieben, weder die Überreste eines Tempels noch irgendwelche verschütteten Relikte – nicht einmal ihres Namens erinnern wir uns heure.
    Einzig der Wächter der Seelensteine ist geblieben. Einsam wacht er über die Toten der alten Rasse. Einst brachte man die Sterbenden zu ihm, damit ihre Seelen im Felsgestein des Pandaras eine neue Heimstatt fanden. Doch irgendwann verschwand das Volk aus Nymath, verschluckt vom Lauf der Geschichte, vernichtet von etwas, von dem wir niemals erfahren werden. Der Semouria jedoch blieb seiner Bestimmung treu. Jeder, der sich seiner Höhle nähert, ist des Todes. Der Wächter erfüllt seine Aufgabe noch heute so, wie er es schon seit Tausenden von Wintern getan hat.«
    »Dann ist es also wahr?« Bayard war deutlich anzusehen, dass er noch immer Zweifel hegte. Doch die Alte ging nicht weiter darauf ein. Sie sprach nun schon sehr lange und wirkte müde und erschöpft. »Gaelithil wusste um die wahren Beweggründe des Semouria«, fuhr sie fort. »Und sie wusste, dass ihr Leben verwirkt war. Die Schatten würden sie verfolgen, bis die Kräfte sie endgültig verließen, und für eine neuerliche Flucht über die Grenzen der Welt hinweg fehlte ihr die Kraft. So schleppte sie sich in ihrer Verzweiflung zu jenem Ort, an dem sich die Höhle des Semouria befinden sollte.
    Aber die Schattenwesen waren schneller. Die Finsternis holte die Elbenpriesterin ein, bevor sie den Wächter der Seelensteine erreichte. Sie kannten keine Gnade! Mit grausamsten Mitteln versuchten sie Gaelithil zu entlocken, wo sie das Amulett verbarg. Doch Gaelithil schwieg. Zu viel hatte sie erlitten, zu sehr liebte sie ihre Tochter, als dass sie den Dämonen das Versteck preisgegeben hätte. Sie muss unsäglich gelitten haben. Es heißt, die gellenden Schreie hätten den uralten Schläfer geweckt. Beim Anblick des Sernouria ergriffen die Schattenwesen die Flucht, doch er spürte sie auf und tötete jedes einzelne.
    Die sterbende Elbenpriesterin aber trug er mit sich fort, auf dass ihre Seele in den Felsen seiner Höhle für immer Frieden fände.« Die Alte seufzte tief, als könnte nun auch sie, da die Geschichte erzählt war, endlich Frieden finden.
    »Woher … wisst Ihr das alles?«, erkundigte sich Ajana. »Gaelithil ist doch gestorben, ohne jemandem von der Flucht in die andere Welt zu berichten.«
    »Von Gaelithil selbst.«
    »Aber die Elbenpriesterin …«
    »Du meinst, sie ist tot?« Die Alte nickte bedächtig. »Ja, so sagt man«, sinnierte sie und fügte hinzu: »Tod – was ist das? Die wahre Bedeutung weiß niemand zu erhellen, denn der Tod führt uns in eine andere Welt. Körper zerfallen zu Staub, Taten werden vergessen, Spuren hinfortgespült im Strom der Zeit. Die Seele jedoch ist unsterblich, sie steigt auf zu den Sternen und besteht weiter in einer Welt, die den Lebenden verschlossen ist. Doch dieser Weg blieb Gaelithil verwehrt. Eingeschlossen in

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