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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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letzte Worte wurden gewechselt und so mancher Händedruck, so manche Umarmung zwischen Freunden getauscht. Dann verließen die Anführer das Kellergewölbe, um ihren Streitern das weitere Vorgehen zu erläutern.
    »Was ist mit dir?« Jarmil, der als Vorletzter im Gewölbe geblieben war, schaute Kiral fragend an. Der gewählte Anführer der Streiter hatte sich auf einen Stuhl gesetzt und starrte in die Flamme einer Kerze.
    »Ich denke an die vielen tapferen Männer und Frauen, die heute ihr Leben lassen müssen«, seufzte Kiral betrübt. »Dir muss ich nichts vormachen, mein Freund«, sagte er, von plötzlicher Schwermut ergriffen. »Du kennst mich wie kein anderer hier. Gemeinsam haben wir die ersten Sumpfhühner gejagt und unseren ersten Tarpan zugeritten. Wie du habe auch ich meine Familie an die Häscher des Blutgottes verloren und mich mit dir den Streitern angeschlossen. Du weißt, dass ich mich lange gesträubt habe, die Streiter anzuführen, weil ich das Töten verachte …«
    »Niemand könnte die Aufgabe besser als du erfüllen«, fiel Jarmil ihm ins Wort. »Alle hier lieben und verehren dich wie einen Vater und folgen dir aufs Wort.«
    »Ich weiß.« Kiral lächelte dünn. »Das ist es ja, was mich betrübt. Sie lieben mich wie einen Vater, und ich liebe sie wie meine Kinder.« Er fuhr sich mit den Händen müde über das Gesicht. »Und doch habe ich gerade die Hälfte von ihnen in den Tod geschickt.«

 

     
     
     
     
     
    Je weiter sich die Sonne dem Zenit näherte, desto schneller schlugen die Trommeln und beschleunigten den Puls von Tausenden Herzen.
    Schon früh am Morgen hatten sich die ersten Menschen auf dem großen Platz von dem Götterbaum versammelt, wo die Tempelgarde Dutzende von Galgen für die Hinrichtung der Gefangenen aufgestellt und das hölzerne Gerüst für das Gottesurteil errichtet hatte. Inzwischen waren es so viele Schaulustige, dass die Krieger Mühe hatten, den Platz für die hundert Tänzerinnen freizuhalten, die sich zum rhythmischen Takt der Trommelschläge bewegten.
    Die Mädchen waren auffällig gekleidet. Zu den kurzen, weißen Röcken trugen sie einen bunt bestickten und aufwändig gearbeiteten Kopfputz aus leuchtenden Tagarafedern sowie Arm- und Beinschienen aus schwarzem Djakûnfell mit silbernen Glöckchen, die im stampfenden Rhythmus des Tanzes erklangen. Ihre Oberarme schmückte goldenes Geschmeide in Form einer Schlange, und um den Hals lagen Ketten aus hellen Süßwassermuscheln, die bei jeder Bewegung klirrten. Die bloßen Brüste waren in den leuchtenden Farben der Tagarafedern bemalt, die nussbraune Haut mit glänzendem Öl gesalbt. Seltsam entrückt, mit schamlosen Posen und Bewegungen, umtanzten sie die Stätte der Hinrichtung wie unter dem Einfluss einer berauschenden Droge.
    Ta-ta-tam, ta-ta-tam, ta-ta-tam …
    Die Trommler standen mit gespreizten Beinen hinter den großen, mit Leder bespannten Bodentrommeln. Die Bewegungen ihrer Hände verschwammen unter dem schnellen Rhythmus, während sie den Takt noch einmal steigerten, um den Tänzerinnen das Blut in ekstatischen Strömen durch die Adern zu jagen.
    Suara tat, als sehe sie den Tanzenden zu, beobachtete insgeheim aber die Menge der Umstehenden. Hin und wieder entdeckte sie ein bekanntes Gesicht. Die Meisten jedoch waren ihr fremd.
    Wer war Freund und wer Feind? Wer wissend, wer ahnungslos? Beim Anblick der ungeheuren Menschenmasse, die sich hier versammelt hatte, überkamen sie zum ersten Mal Zweifel. Kirals Plan war gut durchdacht und schien Erfolg versprechend. Aber hatte der Anführer der Streiter wirklich mit einer solchen Menschenansammlung gerechnet? War er fähig, diese Massen zu lenken, wenn es zur Auseinandersetzung kam? Konnte er ihnen Einhalt gebieten, wenn der Hass ihnen die Sinne raubte?
    Die Anzahl der versammelten Rebellen, so hatte Kiral gesagt, würde die Zahl der Krieger um ein Vielfaches übersteigen. Insoweit schien der Angriff kein Wagnis zu sein. Doch womit sollten sie kämpfen?
    Die winzigen Messer und Dolche, die die Rebellen heimlich mit sich führten, erschienen angesichts der mit Schwertern und Pfeilen schwer bewaffneten Krieger geradezu lächerlich. Suara wagte zu bezweifeln, dass dieser Nachteil allein durch Mut und Entschlossenheit wettgemacht werden konnte.
    Und dann waren da noch die Ajabani. Kiral hatte Sorge, dass sich die gefürchteten Meuchler heimlich unter das Volk mischen würden, bereit zuzuschlagen, sobald sie die ersten Anzeichen einer Revolte

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