Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
Vom Netzwerk:
vor der großen Schlacht zur Flucht rieten und seitdem immer wieder gegen den Willen des einzigen Gottes Andauriens wirken.« Vhara gab einer Gruppe von Kriegern ein Zeichen und befahl: »Schafft die Felis herbei!«
    Die Ankündigung der Hinrichtung brach das Schweigen der Massen. Stimmen wurden laut, und ein aufgeregtes Gemurmel erhob sich wie das Summen eines Bienenschwarms über dem Platz. Es lag keine Zustimmung darin, doch auch damit hatte Vhara bereits gerechnet. Sollten sie ihrem Unmut ruhig Luft machen, aufhalten konnten sie die Hinrichtung nicht …
    … und auch nicht das, was danach folgen würde. Ein siegesgewisses Lächeln umspielte Vharas Mundwinkel. Der Mythos, den sie an diesem Abend zerstören würde, war nur der Auftakt zu einem vernichtenden Feldzug, an dessen Ende es für die Bewohner Andauriens keinen einzigen Hoffnungsträger mehr geben würde.
     
     

    ***
     
    Die Beine der Felis trugen sie nicht mehr.
    Zu lange war sie gefesselt gewesen, zu sehr hatten die Lederriemen ihr das Blut abgeschnürt, zu dürftig waren die Wunden der Folter verheilt. Sie war so geschwächt, dass sie nicht einmal versuchte, sich zu wehren als man sie aus dem Verließ zerrte und zu einem Karren schleppte, der sich sogleich in Bewegung setzte.
    Statt der Augenbinde hatte man ihr einen dicht gewebten Sack über den Kopf gezogen und ihn so eng um den Hals geschnürt, dass sie kaum Luft bekam.
    Sehen konnte sie nichts, aber hören, riechen, fühlen …
    Nach der endlosen Zeit in der stickigen Kammer kam ihr die Luft im Freien trotz des muffigen Sacks wie ein Geschenk vor. Sie spürte die Wärme der Sonnenstrahlen auf ihrem Fell und hörte den vertrauten Gesang der Vögel. Ihre tastenden Sinne berührten die Aura von zehn Kriegern, die sie bewachten. Andere Menschen schienen nicht in der Nähe zu sein.
    Seltsam. Die Felis war sicher, noch in der Tempelstadt zu sein, an einem Ort, der erfüllt sein müsste von Hunderten sterblicher Seelen.
    Sie lauschte und tastete in die Stille hinein, fand aber nichts.
    Kein Lachen, kein Reden … nichts, das auf die Nähe anderer schließen ließ. Die Stadt wirkte wie ausgestorben.
    Schwester?
    Wie ein Wispern strich der Ruf durch ihre Gedanken, und was sie bisher nur geahnt hatte, wurde zur Gewissheit.
    Sie sind hier!
    Die Felis spürte, wie ihr Herz vor Freude schneller schlug. Hastig sandte sie einen Gedanken aus, der den anderen verriet, dass sie noch am Leben war.
    Zur Antwort erreichte sie ein tröstender Gedanke.
    Halte aus , schien er zu sagen. Verzage nicht. Wir …
    Die Botschaft riss unvermittelt ab, als der Karren um eine scharfe Wegbiegung fuhr und ihr Lärm aus Tausenden Kehlen entgegenschlug.
    Die Felis erstarrte.
    Hass und Wut, Schmährufe und die mühsam unterdrückte Gier zu töten brandeten ihr wie eine düstere Woge entgegen. Die Hinrichtung! Schlagartig wurde ihr klar, warum die Stadt so verlassen wirkte.
    Sie waren hier. Alle.
    Und alle wollten sie sterben sehen.
     
     

    ***
     
    Der grelle Ton der Muscheltrompeten schmerzte Ajana in den Ohren. Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse und schaute sich zu Aileys und Inahwen um, die hinter ihr standen. Den beiden schien es ähnlich zu ergehen.
    Mit dem steten Strom der Menschen, die aus allen Teilen der Stadt zum Götterbaum strebten, waren sie am späten Vormittag hier angekommen und hatten die große Freifläche zu ihrer Überraschung schon gut gefüllt vorgefunden. Da Ajana nahe bei Keelin sein wollte, hatten sie sich einen Platz in der Nähe des Holzgerüstes gesucht, das in der Mitte des langen und schmalen Platzes für das Gottesurteil errichtet worden war. Obwohl die Menschen gerade hier schon dicht gedrängt standen, war es ihnen gelungen, sich bis in die vordere Reihe vorzukämpfen und ihren Platz dort zu behaupten.
    Inzwischen waren so viele Menschen zugegen, dass Ajana sich fragte, wo sie alle hergekommen sein mochten. Es herrschte eine Stimmung wie beim Wagenrennen in einer römischen Arena, und die halbnackten Tänzerinnen, die sich ekstatisch zum Klang der großen Trommel bewegt hatten, hatten ein Übriges getan, um die gespannte Stimmung noch weiter anzuheizen.
    Die Muscheltrompeten verstummten.
    Stille kehrte ein.
    Alle Köpfe wandten sich nach rechts, wo die Priesterinnen auf einer festlich geschmückten Empore Platz genommen hatten. Eine von ihnen erhob sich und richtete die Stimme an das Volk: »Volk von Andaurien …«
    »Das ist Vhara!«, flüsterte Inahwen Ajana zu. »Es ist, wie Asza gesagt

Weitere Kostenlose Bücher