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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Ziel.
    Ajana gab ihrer Stute das Zeichen zum Galopp. Mit wehender Mähne preschte sie über die Gräser hinweg, die hier im Sommer üppig wucherten und nun auf dem nassen Boden vor sich hin moderten, vorbei an den ersten Anzeichen frischen Grüns, das sich geduckt im Windschatten einiger flacher Mulden zeigte, und einer einsamen Gruppe kleiner gelber Blumen, die der feuchtkalten Witterung als Boten des nahenden Frühlings trotzten.
    Sie richtete den Blick auf den Ulvars, dem sie sich nun rasch näherte. Die Brandmale, die das Feuer der Uzoma dem gespaltenen Baum zugefügt hatte, waren selbst von weitem nicht zu übersehen. Das feine Geäst war verbrannt, die Rinde geschwärzt. Nur die dicksten Äste hatten der zerstörerischen Hitze standgehalten. Doch obwohl der Frühling andernorts bereits Einzug hielt, wirkte der mächtige Baum noch immer so leblos wie das Skelett eines Riesen.
    Der Anblick hatte nichts von seinem Schrecken verloren, und Ajana fragte sich, ob es wirklich eine Knospe des Ulvars gewesen sein konnte, die Inahwen ihr gezeigt hatte.
    Anders als die sanften Erhebungen ringsumher, war die Anhöhe des Ulvars fast gänzlich von Purpurheide bewachsen. Die Elben hatten die Heide einst von der Küste hierher gebracht und sie rings um den gespaltenen Baum gepflanzt, um ihn auf diese Weise als Symbol der Hoffnung zu ehren. Seitdem hatte sich die Purpurheide immer weiter ausgebreitet und die Gräser verdrängt.
    Zur Sommersonnenwende, so hatte Inahwen Ajana einmal erzählt, thronte der Ulvars über einem purpurnen Blütenmeer. Aber von der Pracht vergangener Sommer war nichts geblieben. Die Pflanzen, die das Feuer verschont hatte, waren kahl, die Heide rings um den Baum verbrannt und zu Asche zerfallen.
    Doch nicht die Heide, der Ulvars war es, dem Ajanas Aufmerksamkeit galt.
    Sie hatte es geschafft. Müdigkeit und Hunger schienen vergessen. Schwungvoll glitt sie vom Rücken der Stute, legte ihr die Zügel locker über den Widerrist und zog die Handschuhe aus. »Warte hier!«, raunte sie ihr leise zu. Dann lief sie den Hügel hinauf.
    Doch nach dem langen Ritt durch die eisige Nacht fiel ihr jeder Schritt doppelt schwer. Ihre Hände und Füße waren kalt und die Glieder steif von der angestrengten Haltung. All das erschien Ajana in diesem Augenblick freilich nebensächlich. Mit klopfendem Herzen stapfte sie den Hügel hinauf. Den Blick weit vorausgerichtet, suchte sie an den kahlen, schwarz verkohlten Ästen des Baumriesen nach einem Hinweis aufsprießende Knospen.
    Die Morgendämmerung war schon weit vorangeschritten, und obwohl der Himmel noch immer bedeckt war, gab das Tageslicht bereits Einzelheiten preis. Aber wohin sie auch schaute, nirgends konnte sie eine Knospe entdecken.
    Sie sind noch klein, sprach sie sich in Gedanken Mut zu, während sie gleichzeitig versuchte, die aufkommende Besorgnis zu unterdrücken und nicht weiter auf das mulmige Gefühl zu achten, das sich verstohlen wie ein Dieb unter die Freude über den erfolgreichen Ritt mischte. Aber selbst als sie unter die ausladenden Äste trat und sich suchend umschaute, konnte sie nichts erkennen, das ihr Hoffnung machte.
    Der Ulvars trug keine Knospen!
    Die Erkenntnis traf Ajana mit solcher Wucht, dass sie zunächst keinen klaren Gedanken fassen konnte. Planlos hastete sie um den Stamm herum, strich mit den Händen über die glatte Rinde und suchte verzweifelt nach etwas, das Inahwens Worte bekräftigte, aber vergeblich. Es gab keine Knospen.
    Ajana spürte, wie sie zu zittern anfing. Inahwen würde sie gewiss nicht belügen. Warum sollte die Elbin in ihr Hoffnungen wecken, die sich nicht erfüllen konnten? Warum sollte sie …?
    Ajana hielt inne und blickte nach oben. Etwa zwei Meter über ihrem Kopf entdeckte sie einen Ast, der anders aussah. Auch er war vom Feuer gezeichnet, aber er wirkte nicht so glatt wie die übrigen. An vielen Stellen konnte sie kleine, runzelige Geschwüre erkennen.
    Knospen!
    Behände kletterte sie auf die unteren Äste des Ulvars, um den seltsamen Fund näher zu betrachten. Unvermittelt riss die Wolkendecke auf, und ein Sonnenstrahl tauchte den Ulvars in goldenes Licht. Ajana schloss geblendet die Augen. Als sie sie vorsichtig wieder öffnete, erkannte sie, dass sie sich getäuscht hatte. Nicht nur dieser eine, auch andere Äste trugen auf der Rinde diese seltsamen Geschwüre.
    Ajana griff nach einem der runzeligen Auswüchse, brach ihn ab und hielt ihn prüfend ins Sonnenlicht. Er war sehr weich und ungefähr so groß

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