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Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin

Titel: Das Erbe der Runen 03 - Die Schattenweberin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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leblose Hülle.«
    »Aber wie ist das möglich?«, fragte Ajana bestürzt. »Erst gestern zeigte Inahwen mir eine gesunde, sprießende Knospe des Ulvars, die ein Falke nach Sanforan getragen hatte.«
    »Gestern.« Aszas Tonfall blieb so unergründlich wie das Mienenspiel in ihrem ebenmäßigen Gesicht. »Gestern mag diese Knospe hier auch noch voller Lebenssaft gewesen sein.« Sie ballte die Hand zur Faust, zerdrückte das tote Blatt und ließ es achtlos zu Boden fallen. »Jetzt ist sie tot.«
    Tot! Ajana zuckte zusammen, als sei sie geschlagen worden. »Was ist geschehen?«, fragte sie.
    Asza antwortete nicht sofort. Gemessenen Schrittes trat sie vor den mächtigen Stamm des Ulvars, legte die Hände flach auf dessen geschundene Rinde, schloss die Augen und verharrte einen Augenblick lang schweigend.
    Schließlich löste sie die Berührung und blickte Ajana traurig an. »Ich weiß nicht, was geschehen ist«, sagte sie mitfühlend. »Jedenfalls nicht genau. Ich weiß nur, dass der Ulvars stirbt, und ich habe schon viele Tränen vergossen, weil ich es nicht verhindern kann.«
    »Aber … aber er darf nicht sterben!«, stammelte Ajana bestürzt. Sie hatte das Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Das eben noch feste Erdreich schien unvermittelt zu den Planken eines schwankenden Schiffes geworden zu sein. »Ihr seid eine Göttin«, stieß sie flehend hervor. »Sicher gibt es irgendetwas, das Ihr für ihn tun könnt. Bitte! Der Ulvars ist meine letzte Hoffnung. Wenn er stirbt, kann ich niemals nach Hause zurückkehren.«
    Asza schüttelte den Kopf. »Der Verfall ist nicht mehr aufzuhalten«, sagte sie ernst. »Es gibt nichts, das ich noch für ihn tun könnte.« Nicht die kleinste Regung in ihrem Gesicht gab etwas von dem preis, was in ihr vorging. »Du hast mächtige Feinde, Ajana«, fuhr sie schließlich mahnend fort. »Hüte dich davor, sie zu unterschätzen. Du wähnst die Priesterin des Feuers besiegt, doch der Schein trügt. Vhara ist nicht tot. Sie ist nach Andaurien geflohen. Sie hasst dich mehr denn je und trachtet danach, die erlittene Schmach zu rächen. Alles ist in Bewegung, nichts ist sicher, ehe das Übel nicht an der Wurzel gepackt und vernichtet ist.« Ihr Stimme wurde leiser, sie machte einen Schritt auf Ajana zu und sagte: »Sei auf der Hut, Ajana.«
    »Vhara ist nicht tot?«, fragte Ajana erschüttert. Der Gedanke, dass Vhara den Sturz in den glutheißen Wehlfang überlebt haben könnte, überstieg ihre Vorstellungskraft. Wie alle in Nymath, war auch sie überzeugt gewesen, dass die Priesterin tot sei. »Wie ist das möglich?«, fragte sie.
    »Die Priesterin des Feuers hat mächtige Verbündete«, erklärte Asza so leise, als fürchte sie, dass jemand mithören könne. »Sie buhlt mit jenem Einen, den ihr den dunklen Gott nennt. Dieser ist kein Geringerer als der Sohn Asnars und der Neffe Callugars. Mit seiner Hilfe gelang es ihr, den Fluten des Wehlfangs unbeschadet zu entkommen.«
    »Aber das ist nicht möglich!«, rief Ajana aus. »Ich habe selbst gesehen, wie Maylea sie in den Wehlfang stieß. Ich hörte sie schreien und sah, wie die Flammen ihre Gewänder verzehrten …« Die Erinnerung an den grausigen Anblick überwältigte sie. Erschüttert schloss sie die Augen, atmete tief durch und scheuchte die schrecklichen Bilder fort. Dann fügte sie hinzu: »So etwas kann niemand überleben. Das ist unmöglich.«
    »So unmöglich wie es ist, den Ulvars von Andaurien aus zu vernichten, nur um zu verhindern, dass du Nymath verlässt?«, fragte Asza provozierend. »Glaub mir, mein Kind, für ihn und seine Priesterinnen ist nichts unmöglich.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. »Er will die Herrschaft über Nymath, aber sie will dich!«
    »Mich?«, Ajana erblasste. »Warum?«
    Asza verzog den Mund zu einem spöttischen Lächeln. »Du besitzt etwas, nach dem es sie verlangt, und du hast die Macht, es zu nutzen.« Aszas Stimme wurde eine Spur schärfer. »Die Priesterin des Feuers will das Amulett. Sie wird alles daran setzen, dich zu finden. Sei auf der Hut, Ajana, und traue niemandem. Alle in deiner Nähe sind in höchster Gefahr.«
     
     

    ***
     
    Mit schnellen Schritten durchmaß Vhara die langen Gänge in den unterirdischen Gewölben ihres Tempels. Sie war gereizt und ungeduldig, ihre Miene wirkte ernst, die Hände waren zu Fäusten geballt. Ihr langes fließendes Gewand aus feinstem Gewebe bauschte sich, als sie auf eine steinerne Tür zueilte, vor der zwei Posten Stellung bezogen

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