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Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin

Titel: Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Monika Felten
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Stammesfürsten und hörte, wie sie den Atem anhielten. Sein Blick schweifte von einem zum anderen, und er ergötzte sich daran, wie sie unter ihm zitterten. Dann hob er den Dolch ins Licht, betrachtete die blitzende Klinge und sagte leise: »Der Whyono!«

 
     

     
     
    Tiefblau spannte sich der Himmel über der Nunou, der Endlosen Wüste, deren glutheißer Sand alles Leben verschlang. Gewaltige rote Dünen reihten sich in wellenförmigen Mustern aneinander wie die Wogen eines riesigen Ozeans, der sich in alle Himmelsrichtungen bis zum Horizont erstreckte.
    Es war unerträglich heiß.
    Obgleich sich die Sonne viel niedriger als im Sommer über der Einöde erhob, brannte sie noch immer unbarmherzig herab. Die Hitze brachte die Luft zum Flimmern und füllte die flachen Senken zwischen den Dünen mit dem trügerischen Anblick funkelnden Wassers, während Luftspiegelungen dem Auge das Abbild von Schatten spendenden grünen Bäume und üppig wuchernden Pflanzen vorgaukelten.
     
    Die einsame Gestalt im luftigen grünen Gewand, die auf dem Rücken eines schwarzen Hengstes über die staubigen Dünenkämme nach Westen galoppierte, war erfahren genug, um den verlockenden Trugbilder der Nunou zu widerstehen. Nicht zum ersten Mal führte ihr Weg durch die unwirtliche Gegend, und nicht zum ersten Mal war sie gezwungen, die endlose Weite allein zu durchqueren.
    Vhara zügelte ihr Pferd auf einer Anhöhe und blickte aufmerksam nach Nordwesten. Ihr Ziel, eine markante dunkle Erhebung, verbarg sich noch immer irgendwo hinter den dunstigen Schleiern am Horizont.
    Die Hohepriesterin seufzte, schwang sich mit einer geschmeidigen Bewegung aus dem Sattel und klopfte sich den Staub von den Gewändern. Die dünnen Sohlen ihres feinen Schuhwerks hatten dem glutwarmen Boden nichts entgegenzusetzen, doch Vhara nahm die Hitze unter den Füßen kaum zur Kenntnis.
    Ihre Sorge galt dem dürstenden Pferd. Seit dem Morgen war das ausdauernde Tier unermüdlich gelaufen, und es war längst an der Zeit, ihm eine Rast zu gönnen.
    Sie selbst verspürte weder Hunger noch Durst. Nahrung und Wasser waren für sie ohne Bedeutung. Vor vielen hundert Wintern schon hatte sie der Sterblichkeit und damit auch solch niederer Bedürfnisse entsagt. Doch das war ihr wohl gehütetes Geheimnis.
    Ein dünnes Lächeln umspielte Vharas Mundwinkel. Menschen und Uzoma waren doch so leicht zu täuschen. Selbst Othon gegenüber war es ihr mühelos gelungen, den Schein einer sterblichen Seele zu wahren.
    Niemand kannte ihr wahres Gesicht. Niemand wusste, dass auch sie ihre Kraft aus dem Blut derer schöpfte, die ihrem Meister, dem einzigen und wahren Gott, geopfert wurden. Je mehr kostbarer Lebenssaft vergossen wurde, desto größer wurde ihre Macht.
    Die Macht des Blutes! Ihr Lächeln wurde eine Spur breiter. Keine noch so süße Kilvarbeere würde ihr je einen solchen Hochgenuss bereiten wie unschuldiges Blut, vergossen auf einem der schwarzen Altäre Andauriens. Blut, so jungfräulich und rein, wie es auch ihr Blut einstmals gewesen war.
    Ganz unvermittelt flammte in ihr die Erinnerung an längst vergangene Zeiten auf, die so weit zurücklagen, dass sich außer ihr niemand mehr daran zu erinnern vermochte.
    Sie sah sich selbst, gehüllt in das zeremonielle Opfergewand, auf einem von Fackelschein erhellten Altar liegen. Ein junges Mädchen noch, das wie alle weiblichen Siebentgeborenen in Andaurien nur dem einen Zweck diente: ihr jungfräuliches Blut dem Wohl der Sippe zu opfern.
    Vierzehn Winter war sie auf diesen Augenblick vorbereitet worden. Man verwöhnte und umsorgte sie und behandelte sie wie eine Auserwählte. Während ihre Brüder und Schwestern auf den Feldern arbeiten mussten und ein karges Leben führten, lebte sie wie eine Göttin. In kalten Wintern schlief sie stets am wärmsten Ort des Hauses und erhielt nur erlesene Speisen. Sie wurde gebadet und gesalbt wie eine Heilige und in feinste Gewänder gekleidet. Ihre Geschwister hassten sie dafür und mieden sie. Doch da der Tod der Siebenten den Angehörigen ein gutes Leben bescheren sollte, ertrugen sie die Bevorzugung ihrer Schwester stumm bis zu dem Augenblick, da sich ihr Schicksal erfüllte.
    Beim Gedanken an den Tag der Opferung glaubte Vhara wieder die Blicke ihrer Geschwister auf sich zu spüren, die sie ohne Trauer und Mitleid auf ihrem letzten Weg; begleiteten.
    Und obgleich seitdem viele hundert Winter vergangen waren, glaubte sie wieder den bitteren Geschmack des Banbuck auf der Zunge zu

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