Das Erbe der Runen 2 - Die Feuerpriesterin
gewaltigen Gesteinsbrocken boten ihnen nicht nur sichere Rückendeckung, sondern auch willkommenen Windschatten. Zudem standen sie so günstig beieinander, dass auch die Pferde in der Nähe des Feuers Zuflucht fanden.
Im Schutz der Felsen erschien Ajana die Luft gleich viel wärmer, doch die weißen Wölkchen, in denen ihr Atem zum Himmel emporstieg, sobald sie sich auch nur kurz vom Feuer abwandte, waren der Beweis für die bittere Kälte der Nacht.
Müde betrachtete sie die unsteten Schatten, die die Flammen auf die Gesichter der beiden Männer warfen, während sie ihren kargen Anteil an der Abendmahlzeit verspeiste und auf das Knistern des Feuers lauschte.
Trotz des beißenden Geruchs von verbrannten Haaren riefen die vertrauten Geräusche Erinnerungen in ihr wach … Erinnerungen an einen unbeschwerten Sommerabend mit Pferden, Freunden und Gitarrenklang, an dem das Feuer nicht überlebenswichtig, sondern romantisches Beiwerk war. Wehmütige Erinnerungen waren es, die so ähnlich anmuteten und doch nichts mit diesem Lagerfeuer unter den Sternen Nymaths gemeinsam hatten.
»Noch immer kein Lebenszeichen von Horus?«, hörte sie Bayard in ihre Gedanken hinein fragen.
»Nein!« Keelin schüttelte den Kopf und fuhr sich mit den Händen müde über das Gesicht. »Er lebt, das spüre ich. Aber ich kann ihn nicht erreichen. Alles ist dunkel … leer.« Er seufzte. »Ich weiß nicht, wie ich es beschreiben soll. Seit dem Morgen habe ich es versucht, aber da ist nichts. So etwas habe ich noch nie erlebt.«
»Seltsam.« Bayard bedachte Keelin mit einem mitfühlenden Blick und legte noch etwas dorniges Gestrüpp auf die Glut der Feuerstelle. Auch er war ratlos.
»Vielleicht hat er sich verletzt«, wagte Ajana einzuwenden, die erleichtert war, dass Keelin sich nicht mehr so verschlossen gab wie am Nachmittag. »Ein Schlag auf den Kopf, ein Absturz. Irgend so was.« Sie zog bedauernd die Schultern hoch, weil sie sich nicht besser ausdrücken konnte. »Ihr wisst schon, was ich meine.«
»Einmal, ganz kurz, glaubte ich ihn zu spüren«, sagte Keelin, ohne auf Ajanas Vermutung einzugehen. »Ich hörte Stimmen und fing die Ahnung eines Bildes auf. Ganz so, als versuche auch Horus, mich zu erreichen.«
»Was hast du gesehen?« Ajana schaute den jungen Falkner neugierig an, doch der schüttelte nur den Kopf. »Nichts. Das heißt nichts, das einen Sinn ergäbe. Felsen, Sand und etwas Blaues, das sich bewegte. Ich weiß es wirklich nicht. Der Eindruck war zu kurz, um ihn fassen zu können. Vielleicht sah ich aber auch nur, was ich unbedingt sehen wollte. Weil …«
Weiter kam er nicht, denn in diesem Augenblick zerfetzte das Heulen eines Dunkelschleichers die Stille der Nacht.
Ganz laut. Ganz nah.
Die Pferde wieherten panisch, stiegen und versuchten sich loszureißen.
»Thorns heilige Rosse!« Mit einem Satz war Bayard auf den Beinen. Die Asnarklinge in den Händen, bewegte er sich langsam um das Feuer herum, den Blick auf die Dunkelheit ringsum gerichtet. »Beruhigt die Pferde!«, rief er Ajana zu.
Ohne zu zögern, sprang Ajana auf und trat zu den verängstigten Tieren, die sich noch immer wie wild gebärdeten. Sie war froh, etwas tun zu können. Mit Pferden kannte sie sich aus. Sich um sie zu kümmern vertrieb zumindest vordergründig die namenlose Furcht, die in ihrem Innern wütete.
Die Nüstern gebläht und die Ohren nervös nach allen Seiten richtend, starrten die drei Rappen in Richtung des Katauren, als könnten sie hinter dem Feuerschein etwas erkennen, was ihren Reitern verborgen blieb.
Ajana ergriff die Zügel und strich ihnen abwechselnd sanft über die Nüstern. Dabei schaute sie immer wieder über die Schulter hinweg zu Bayard hinüber, an dessen Seite nun auch Keelin mit gespanntem Bogen Aufstellung bezogen hatte.
Die Pferde ließen sich nur schwerlich beruhigen. Sie schnaubten und scharrten unruhig mit den Vorderhufen, versuchten aber nicht mehr, sich loszureißen.
»Ruhig, ganz ruhig!«, raunte Ajana ihnen mit warmer Stimme zu, während sie im Stillen darum betete, dass die Dunkelschleicher nicht noch einmal aufheulen würden. Fast überdeutlich nahm sie jede Bewegung der beiden Krieger wahr, die sich abwehrbereit vor dem breiten Durchgang, dem einzigen Weg zum Lagerplatz, postiert hatten. Der Qualm des Feuers streifte selbst über den durchdringenden Geruch der verschwitzten Pferdeleiber hinweg ihre Nase, und die Geräusche der Nacht erfüllten ihre Ohren: das Schnauben der Pferde, das Scharren der
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